Zum Abschluss der Festspiele: Wolfgang Heubisch und Nikolaus Bachler im Interview
Nikolaus Bachler im Gespräch mit seinem Chef Wolfgang Heubisch über die Öffnung der Staatsoper, die Konkurrenz mit Berlin und die Vorfreude auf den neuen Generalmusikdirektor
So viel „Ring“ war noch nie. Am heutigen Dienstag Juli) gehen die Münchner Opernfestspiele zu Ende. Ein Jahr vor dem großen Wagner-Jubiläumsjahr drehte sich dabei alles um das Mammutwerk „Ring des Nibelungen“. Im Interview erklären Opernchef Nikolaus Bachler und Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP), warum Wagner ruhig Geld kosten darf und warum es völlig normal ist, dass drei Österreicher drei wichtige bayerischen Bühnen leiten. Nikolaus Bachler bleibt bis 2018 Opern-Chef. Martin Kusej leitet das Bayerische Staatsschauspiel, Josef Köpplinger das Staatstheater am Gärtnerplatz.
AZ: Herr Heubisch, drei Österreicher an der Spitze von drei Staatstheatern – hat das System?
Wolfgang Heubisch: „Die Österreicher sind eine Kulturnation und das zeigt sich. Ich weiß nicht, warum das so ist. Vielleicht liegt es an der Monarchie?“
Nikolaus Bachler: „Die Österreicher sind sehr begabt – zu allem: zur Kunst, zum Leben, aber auch zur Gemeinheit und zur Intrige. Und zweitens: Zur Habsburger Geschichte kommt eigentlich eine
ur-europäische Situation und ein besonderes Verhältnis von Bayern und Österreich. Die Kitsch-Geschichte der "Sissi" ist ein gutes Beispiel.“
Sie haben sich mit Formaten wie „Oper für Alle“ oder auch Spencer Tunicks Nackt-Aktion die Öffnung der Oper auf die Fahnen geschrieben. Bringen diese Events die Menschen wirklich dazu, Opernkarten zu kaufen?
Bachler: „Sicher hätten sich die 1700 Leute für Tunick auch für ein anderes Projekt ausgezogen. Aber ich bin fest überzeugt davon, dass die Dinge, mit denen sich der Mensch beschäftigt, eine Wirkung auf ihn haben. Wie genau die aussieht und ob sie dann auf direktem Weg zur Opernkasse führt, das weiß ich nicht. Das ist aber auch nicht wichtig. Es geht darum, dass Leute in Berührung kommen mit etwas, das nicht ihr Alltag ist. Dass sie mit Geist, Denken, Hirn und nicht mit Verblödung in Berührung kommen.“
Heubisch: „Das ist genau der Grund, warum wir als Freistaat in Kunst und Kultur investieren. Ich freu mich, dass nicht nur die Münchner, sondern Menschen aus ganz Bayern die Oper lieben. Das Opernpublikum hier ist wunderbar. Nur eines fällt mir auf: Es wird viel gehustet. Ist das weltweit so?
Bachler: „Ich habe mich da gerade noch mit jemandem darüber unterhalten. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sind wir in einem Sanatorium. Oder das Husten zeigt die Exklusivität des Kenners, dass man sagt: Es ist ein Lied, da muss man still sein – und danach kann man husten. Das geht dann so weit, dass jeder, der überhaupt nicht husten muss, auch mitmacht. Es kann ja nicht sein, dass 2200 Leute unisono sagen, sie haben jetzt Tuberkulose.“
Sie betonen immer wieder die Konkurrenz zur Bundeshauptstadt Berlin...
Bachler: „Da muss ich mal sagen: Dieser Länderfinanzausgleich ist doch einfach unglaublich. Das hat doch nichts mit Solidarität zu tun. Es ist vollkommen absurd. Ich nenne mal ein einfaches Beispiel: Wir haben seit vielen Jahren eine schwierige Orchestersituation. Wir kriegen einfach die guten jungen Leute nicht mehr, weil zum Beispiel Herr Wowereit in Berlin Herrn Barenboim so mit Geld überschüttet, dass die Musiker dort um vieles mehr verdienen als hier. Das ist eine Situation, in der ich jetzt ganz spießig und kleinbürgerlich sage, wir – jetzt sage ich schon wir – Bayern zahlen das. In Dresden gibt es genau die gleiche Situation. Das kann es doch nicht sein. Ich finde, es ist ein dummes, leistungshemmendes System.“
Sie haben also tatsächlich Nachwuchssorgen im Bayerischen Staatsorchester?
Bachler: „Das hat natürlich auch etwas mit der Münchner Situation zu tun. Die Musiker des BR-Symphonieorchesters sind zum Beispiel in einer sehr luxuriösen Situation. Die haben wesentlich weniger Dienste als unsere Musiker. Die Stadt München bezahlt ihre Philharmoniker und Herrn Maazel fürstlich. Wenn wir die guten, jungen Leute haben wollen, ist unser einziges Argument die Leidenschaft für die Oper. Das ist keine Neiddiskussion, das macht einfach im Alltag Schwierigkeiten. Einen jungen Musiker bei den Mietpreisen in München hierher zu locken, ist nicht einfach.“
Wenn man sich Ihr Mammut-Programm zu den Opernfestspielen anschaut und sieht, wie regelmäßig Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann hier auftreten, kann man an Geldsorgen kaum glauben...
Bachler: „Der einzelne Theaterplatz in der Staatsoper ist mit etwa 100 Euro pro Abend öffentlich finanziert. In Stuttgart sind es beispielsweise 160 Euro – ganz zu schweigen von Berlin. Es gibt immer wieder diese Äußerungen über die reiche Bayerische Staatsoper. Wir haben mit fast 40 Prozent den höchsten Eigendeckungsgrad, den es in Deutschland überhaupt gibt. Außerdem muss man auch mal überlegen, was die Hotels, Bars und Restaurants rund um die Oper an uns verdienen.“
Haben Sie sich mal gewünscht, bis 2013 zu warten und den „Ring“ dann mit dem neuen Generalmusikdirektor Kirill Petrenko am Pult aufzuführen?
Bachler: „Das wird ja passieren. Petrenko wird den "Ring" hier übernehmen, wenn er Generalmusikdirektor ist. Und dass er das vorher in Bayreuth macht, gefällt mir natürlich besonders gut. Er ist dann sozusagen der Generalmusikdirektor von ganz Bayern.“
Heubisch: „Ich freu mich drauf. Gerade in der Kunst ist es ein ganz normaler Vorgang, dass man Veränderungen hat. Wir bekommen mit Petrenko einen ganz anderen Menschen, der das Orchester ganz anders führen wird als Nagano. Es ist sicher sehr spannend, was da kommen wird. Veränderung ist die einzige Konstante in der Kunst. Herr Bachler hat schon gesagt, er verlängert kein zweites Mal. Aber schau'n wir mal.“
Bachler: „Never say never.“