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Detlev Glanerts Oper „Joseph Süß”, inszeniert von Guy Montavon im Staatstheater am Gärtnerplatz
Robert Braunmüller |
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Detlev Glanerts Oper „Joseph Süß” inszeniert von Guy Montavon im Gärtnerplatztheater

Wenn sechs Stadttheater eine 1999 in Bremen uraufgeführte Oper nachspielen, muss an dem Werk was dran sein. Tatsächlich langweilt Detlev Glanerts „Joseph Süß” keine Sekunde. Es gibt packende Chorszenen, viel Tempo, stilisierte barocke Formen und wilde Ausbrüche. Und Opern, die sich mit dem deutschen Antisemitismus beschäftigen, sind auch nicht allzu dicht gesät.

Aber etwas fehlt. Glanerts Oper erzählt von Joseph Süß Oppenheimer, dem 1738 als Sündenbock hingerichteten Finanzgenie des Herzogs von Württemberg. Dessen Lüsten fällt wie in Verdis „Rigoletto” die verborgen gehaltene Tochter des unentbehrlichen Außenseiters zum Opfer.

Das geht als Krimi in Ordnung, als tiefer schürfende Analyse bleibt es dürftig. Leider hat der Regisseur auch einen Prolog vorangestellt, in dem zwei Deppen mit Gamsbart Judenwitze erzählen, als handle es sich um ein oberbayerisches Problem. Dabei ist Guy Montavon hauptberuflich Intendant in Erfurt. War da nicht was in der Nähe?

Nach den Rückblenden hängt Süß (Gary Martin) seinen Rock jedesmal so cool an des Kerkers Kleiderhaken, dass sich Mitgefühle des Zuschauers verbieten. Da verlässt sich Montavon zu sehr auf die Musik, die Vergangenheit und Gegenwart klar scheidet. Gern wüsste man auch, ob Süß’ Tochter die Vergewaltigung durch den Herzog überlebt. Montavon macht ein Pogrom daraus, vergisst aber das entscheidende Detail. Dafür verwandelt er Süß’ Gegenspieler Weißensee (Mark Bowman-Hester) in einen fuchtelnden Intriganten, dessen Ränke jedes Kind durchschauen müsste. Leider ist auch der Herzog (Stefan Sevenich) nur ein komisches Riesenbaby, dessen Gefährlichkeit eine Behauptung bleibt.

Die Inszenierung vergröbert, was präzisiert werden müsste und beschränkt sich auf eine Modenschau der üppigen Kostüme von Peter Sykora. Weil die Geschichte im 18. Jahrhundert spielt, ist der Chor natürlich wieder mal eine gesichtslose, dekadent weiß gepuderte Hetz-Masse.

Gesungen wird durchwegs gut. Gary Martin gelingt die unbegleitete Schlussszene eindrucksvoll, das Orchester spielt unter Roger Epples Leitung trennscharf und farbig. Dennoch reicht die Aufführung kaum an Brittens „Death in Venice” oder Prokofjews „Orangen” heran, mit denen der scheidende Intendant Ulrich Peters uns modern verwöhnte.

Wieder am 7., 11., 20. und 22. März sowie im April. Karten Tel. 21 85 19 60

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