Zeitungsmacher mit Altsaxofon

Musikalische Information wird lustvoll aufbereitet und Unspielbares plötzlich machbar: Ein Porträt von Miguel Zenón, der das Oblomow eröffnet
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Musikalische Information wird lustvoll aufbereitet und Unspielbares plötzlich machbar: Ein Porträt von Miguel Zenón, der das Oblomow eröffnet

Einmal im Quartal klingelt es bei Miguel Zenón kräftig in der Kasse. Dann erhält er eine Teilzahlung des Preisgelds von 500000 Dollar. Es steht ihm zu, nachdem ihm 2008 als jüngstem Jazzmusiker aller Zeiten der „Genius Grant“ der MacArthur Foundation zuerkannt wurde.

„Der ,Genius Grant’ hat mir viele Freiheiten eingeräumt und mir Türen geöffnet, die unter normalen Umständen vermutlich länger geschlossen geblieben wären“, sagt Zenon. „Mir hat der Preis einen großen Schub verliehen, und ich spüre mir selbst gegenüber eine enorme Verantwortung, mit den sich mir nun bietenden Möglichkeiten vernünftig umzugehen.“

Die Kontoeingänge hat der junge Altsaxofonist jedenfalls schon sinnvoll und für alle hörbar investiert. Mit ihnen finanzierte der Wahl-New-Yorker ein Projekt, das ihn einmal mehr in seine Heimat Puerto Rico führte. Hatte er sich auf seinem Album „Jibaro“ schon mit dem kulturellen Erbe einer Volksgruppe namens Criollos befasst, beschäftigt ihn auf seinem neuen Album „Esta Plena“ (Marsalis Music/Universal) ein Musikstil, der um die vorletzte Jahrhundertwende an der Südküste seines kleinen karibischen Eilands entstand, vermutlich in der Stadt Ponce.

Mit alle Resorts

Plena-Musik war eine Art gesungene Zeitung, in der so ziemlich alle Ressorts berücksichtigt wurden. Man trug die Lieder, die von Naturkatastrophen, politischen und sozialen Ereignissen erzählten, zunächst nur von spanischen Tamburinen begleitet vor. Miguel Zenón: „Die Rahmentrommeln heißen Panderos und sind das Herz dieser Musik. Üblicherweise werden drei unterschiedlich große und verschieden gestimmte Instrumente eingesetzt. Alle übernehmen bestimmte Funktionen, die sich ergänzen.“

Mit seinem Vierer und der perkussiven Verstärkung zeigt sich Zenón als begnadeter „Zeitungsmacher“, der eine Unmenge an Informationen lustvoll und trotz des mitunter sehr verschachtelten Satzbaus verständlich aufbereitet. Das war schon immer eine Spezialität des Virtuosen, der am letzten Tag dieses Jahres 33 Jahre alt wird: Komplexität in eine große Leichtigkeit zu übersetzen.

Unverwechselbar

Immer wieder findet der Musiker, der sich einst zwischen einer Profession als Tonkünstler und Mathematiker entscheiden musste, eine Formel, in der rhythmisch Unspielbares plötzlich machbar wird. Den metrischen Unterbau überzieht er mit durchakzentuierten, verzierungsreichen Melodien, die sich weit aufschwingen und stets unerwartete Schleifen fliegen.

Längst hat der prämierte Miguel Zenón als Instrumentalist und Schreiber einen unverwechselbaren Stil etabliert, der auch dann erkennbar bleibt, wenn er sich einem Thema unterordnet – wie eben der zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen, seit den 90ern aber wiederbelebten Plena-Musik.

Ssirus W. Pakzad

Stadttheater Oblomow, Hans-Sachs-Straße 12, Sonntag, 20 Uhr. Eintritt: 24 bzw. 16 Euro, Karten Tel. 34 49 79

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