wos mia ois erlebm
Da schossen sie Anfang der 90er mit ihren ersten Alben ins Blickfeld der englischen Pop-Denker wie John Peel, und daheim sortierte man sie in einem unkreativen Impuls halt unter Neue Volksmusik ein. Gegen Attwenger ist Hubert von Goisern ein Alpen-Popper. Nach 20 Jahren, da muss man Markus Binder recht geben, sind Attwenger immer noch kein Teil irgendeiner Szene. Im Gegenteil: Dieses Duo hat sich in der minimalen Besetzung, Schlagzeug und Ziehharmonika, mit einer vielleicht österreichischen Sturschädligkeit eine Welt gezimmert.
Das letzte Album wurde remixed: „Dog 2”. 2007 wurde mit „Attwenger Adventure” ein Film über sie gedreht. Spielen sie heute in Venedig auf der Architekturbienale, ist es morgen ein Landwirtshaus im Bayerischen Wald oder der Szeneclub in Wien. Attwenger geben zurück, was man in ihnen sehen möchte – ob Ton-Sprach-Konstrukteure, bierige Alpenpunks oder internationaler Underground.
„Flux” heißt ihr neues Album. Bei einem Soundcheck in Passau trieb plötzlich das erste Stück der neuen Platte vorbei: „shakin my brain” heißt es und schafft die großartige Herausforderung, als alpenländisches Duo eine Erinnerung an den Rock’n’Roll der 50er nicht nur zu spielen, sondern in einen Text fließen zu lassen, der sich so im Booklet liest: „i’m going crazy when i’m thinking of you / i deng immer aun di owa aun wen dengstn du / und wos mia ois erlebm vo dem brauchma goa ned redn / owa ans is ma kloa you are shaking my brain”.
„Die Mischung der regionalen Suppe mit der Rock’n’Roll-Geschichte” sei immer schon das Attwenger-Ding gewesen, sagt Schlagzeuger Markus Binder. Die Cajun- und Zydeko-Musik ihres Labels Trikont hätten ihn begeistert, bevor Attwenger überhaupt dort gelandet sind. Und wenn Binder in die Zukunft blickt, dann sieht er Hans-Peter Falkner und sich, wie sie dereinst kopfüber in den Louisiana-Swamp-Sound springen.
Attwenger beackern das Feld der amerikanischen Musik. „Transatlantische Ähnlichkeiten” sieht Binder: „Wir spielen jetzt schon ewig den Landler. Und dann ist mir eingefallen, das ja Landler nix anderes heißt als Country.” Ein „kantri” findet sich auch auf „Flux”. Diese Entdeckung ist die logische Folge von Alben die „Song”, „Sun” und „Dog” hießen, Worte, die im österreichischen Dialekt und auf Englisch gleichermaßen funktionieren. Die Ähnlichkeit des süddeutschen Dialekts und des Englischen begeistert Binder. Aber auch wenn er mal über Lautverschiebungen grübelt, ist es kein akademisches Zergliedern, sondern seine Sprache stößt in punkiger Fröhlichkeit Ideen an.
Ernst Jandl wollte seinerzeit mit ihnen auftreten. Attwenger wollten sich das nicht recht vorstellen. Jandl kam zu einem Konzert und zog die Anfrage zurück. Später kam man in ruhigerem Rahmen zusammen. Auf die Frage, wieviel Jandl denn in Attwenger steckt, verweist Binder auf die dadaistische Tradition, aus der Jandl kommt und die auch ihn prägt. Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Oswald Wiener, H.C. Artmann, Friedrich Achleitner – es gibt ein ausgeprägtes österreichisches Interesse an den Rändern der Sprache.
Österreich übrigens, gegen dessen Hirnbarrieren Attwenger immer wieder Quetschn-Pogo tanzen gesprungen sind, wird auf „Flux” ein winziges Wenig rehabilitiert: „vo wien bis münchen oba a / vo hongong bis paris / feel the mief” heißt es da. „Der Mief sitzt überall”, sagt Binder. „Tendenzen, sich abzugrenzen”, wie er sagt, sind nichts für Attwenger, die in Vietnam, Indonesien, Sibiren gespielt haben. Zwei Global Player abseits des international Business. „Da ist mit uns nicht viel zu holen”, sagt Herr Binder freundlich. Aber Attwenger machen ja auch keine Weltmusik nach der Marktlage, sie stoßen Enterhaken in die Musiken und ziehen sie zu sich herüber. „swing” heißt die letzte Nummer des neuen Albums. Harri Stojka spielt Gitarre. Hilft nichts – der Swing muss ein Attwenger werden.
Nicht, dass nicht manche den Hype in ihnen sehen. In „proberaum” kommt dieser Typ vorbei, der sie groß rausbringen will. Daraufhin laden die Attwenger ihn in ihren Proberaum im Keller ein. Sperren ihn in das darunterliegende Verließ: „so wird des gmocht in östareich”. Und fordern Lösegeld.
Attwenger: „Flux” (Trikont)