"Wochenendrebellen" mit Florian David Fitz

Ein Vater, der mit seinem autistischen Sohn einen Pakt fürs Leben schließt und die Bundesliga nebst Zweiter und Dritter Liga witzig abklappert
von  Margret Köhler
Stress pur für Jason (Cecilio Andresen): Vater Mirco (Florian David Fitz) versucht ihn während des Fußballspieles zu schützen.
Stress pur für Jason (Cecilio Andresen): Vater Mirco (Florian David Fitz) versucht ihn während des Fußballspieles zu schützen. © Leonine

Regisseur Marc Rothemund kann Kino. Ob er mit "Sophie Scholl - Die letzten Tage" den jungen Widerstandskämpfern im Dritten Reich ein Denkmal setzte oder mit der Buchadaption "Dieses bescheuerte Herz" über zwei Mio Zuschauer ins Kino lockte, er schafft die Umsetzung der unterschiedlichsten Genres.


Sein neuer warmherziger Film basiert auf dem 2017 erschienenen autobiografischen Buch "Wir Wochenendrebellen", den Abenteuern eines Vaters und seines autistischen Sohns, der wahren Geschichte von Mirco und Jason von Juterczenka. Ihr Blog www.wochenendrebell.de wurde mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Noch in diesem Jahr erscheint der zweite Teil des Original Vaters und Sohnes: "Wochenendrebellen - Chaos auf Augenhöhe" erzählt von ihren Erlebnissen seit 2016. Im Film werden sie von Florian David Fitz als beruflich sehr beschäftigter Vater und Cecilio Andresen als seinem zehnjährigen autistischen Sohn gespielt.

Der Bub weckt seine sich für ihn aufopfernde Mutter (Aylin Tezel) in der Nacht, um ihr einen Vortrag über Astrophysik zu halten, rastet aus, wenn die kleine Schwester kleckert, eine Frau auf "seinem" Platz an der Bushaltestelle sitzt oder sich Nudeln und Sauce auf dem Teller berühren. In der Schule nervt er die Lehrerin, für ihn eine Verschwörungstheoretikerin, mit bohrenden Fragen, die Mitschüler hänseln boshaft den "Depp" und "Spasti".

Als wegen seines auffälligen Verhaltens die Förderschule droht, schließen "Papsi" und der hochintelligente Zehnjährige einen Pakt: Wenn er verspricht, weniger zu provozieren und sich provozieren zu lassen, verspricht der Daddy, mit ihm Fußballspiele zu besuchen, um seinen Lieblingsclub zu finden. Dass es 56 Mannschaften der ersten, zweiten und dritten Liga sind, ahnte er da noch nicht. Aber versprochen ist versprochen. Und so geht die bewegende Reise ab 2012 per Zug los von Stadion zu Stadion - schließlich müssen u.a. Maskottchen, Schuhfarben, Hymnen und Nachhaltigkeit stimmen. Für einen Autisten können Lärm im Stadion, das Fangebrüll, die Enge oder das Abtasten am Eingang die Hölle sein. Und ein von Nazis gebautes Stadion betritt er erst gar nicht.

Eine wichtige Rolle spielt hier das Sound Design. Rothemund, der als Aufnahmeleiter und Regieassistent bei Bernd Eichinger, Helmut Dietl und Dominik Graf begann, verdichtet das Buch mit Feingefühl und leisen Zwischentönen, erzählt nicht alles eins zu eins.

Dabei kommt er ganz ohne Betroffenheitskitsch aus, überzeugt durch Realismus und Wahrhaftigkeit, vielleicht auch weil Jason und seine Eltern sich stark in die Drehbucharbeit einbrachten, Jason selbst einige Passagen schrieb, wenn es um wissenschaftliche Themen ging.

Großartig ist die Leistung des beim Dreh neunjährigen Cecilio Andresen, der überzeugend rüberbringt, wie der Junge lernt, die Zähne zusammen zu beißen und die Normalität eines ihm fremden Alltags über sich ergehen zu lassen. Es ist schwer für ihn und den Vater, der seinen Sohn langsam begreift. Ihre Beziehung wird intensiver, sie werden ein Team.


Der tragikomische Film weckt Verständnis für Regelwerk und Routine von Autisten und ihre Welt, für ihre Bedürfnisse und das, was wir vielleicht für Marotten halten. Und das, ganz ohne belehren zu wollen. Es ist die Liebe des Vaters und sein Vertrauen zu ihm, die ihn belastbar machen, auch wenn "Krieg im Kopf" herrscht, viele Gedanken gleichzeitig toben, "die nicht zusammen passen" wie es Jason mal ausdrückt, der soziale und emotionale Signale nicht deuten kann.

Und wie sagt Joachim Król so treffend als Opa? "Der Jason ist schon so richtig, wie er ist." Dem inzwischen volljährigen "echten" und über die Chaostheorie forschenden Jason gefällt vor allem, "dass die Grundstimmung des Films, trotz der wichtigen Thematisierung der mit Autismus verbundenen Schwierigkeiten, eine positive ist". Margret Köhler

Kino: Arri, Astor im Bayerischen hof, Cadillac, Cincinnati, Cinemaxx, Gloria, Mathäser, Rex, Rio, Royal
R: Marc Rothemund
(D, 99 Min.)

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