Wo die Welt sich in den Armen liegt

Der Münchner Autor Hans Pleschinski ist erklärter Wiesn-Gänger
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Der Münchner Autor Hans Pleschinski ist erklärter Wiesn-Gänger

Gerade kommt er von einer Lesereise zurück, dann geht’s weiter auf die Frankfurter Buchmesse. Denn Hans Pleschinski hat gerade „Ludwigshöhe“ veröffentlicht. Und auch in diesem tragikomischen Familienroman in einer Villa bei München mit noblem Seeblick kommt das Oktoberfest zumindest vor.

AZ: Herr Pleschinski, eignet sich das Oktoberfest als literarische Vorlage?

HANS PLESCHINSKI: Ich kenne keinen Oktoberfestroman, nur ein wunderbares Hörspiel von Paul Wühr. Zum Oktoberfest gehört ja Lärm und das ganze Gesinge. Da ist das Hörspiel geeigneter. Und wozu sollte man einen Oktoberfestroman schreiben, wenn die ganze Welt weiß, was das Oktoberfest ist und was da abgeht.

Aber das Hinter- und Abgründige könnte man doch noch zur Sprache bringen.

Es wäre ein kleiner Verrat. Denn das Oktoberfest ist ja genau der Ort, sich von Literatur, Intellekt, Kultur, Wirtschaft und Politik zu erholen.

Wie definieren Sie die Wiesn?

Als heidnisches Saturnalien-Fest, wo das irdische in den Orkus geht. Es ist ein Ort des Vergessens und der Verwandlung, wenn die Menschen kerzengerade munter hingehen und schräg zurück taumeln wie aus einer anderen Welt.

Hatten Sie schon einmal ein krasses Wiesnerlebnis?

Ich kam aus der Lüneburger Heide und fand, es sei das Letzte, auf dem Oktoberfest in Gesang und Suff unterzugehen. Dann, Ende der 70er, wurde ein Werbefilm von Paulaner für die USA gedreht. Ich war als Statist dabei. Es begann um 9 Uhr morgens und dauerte bis sieben Uhr abends. Und damit die Schaumkronen nicht eingefallen aussahen, wurde immer nachgeschenkt. Ich wankte dann zu meinem zweiten Statistenjob – dem „Freischütz“ im Gärtnerplatz, wo ich auf der Bühne fiedeln sollte. Ich fiel betrunken in die Kulissen, und eine reizende Chorsängerin hat mich befreit und aufgelesen. Ich habe lustig weitergefiedelt und gedacht: Das ist der Irrsinn – und ein bisschen Irrsinn im Leben ist gut.

Seitdem sind Sie Wiesnfreund?

Genau. Und bei aller Erdung ist das Oktoberfest auch ein philosophischer Ort, wo Europa sich am besten vereinigt oder knutschend in den Armen liegt.

Und wo bleiben die Russen?

Die sind in der Schweiz und auf Kreta. Das Oktoberfest ist ihnen nicht teuer genug.

Dafür kommen viele Amis.

Die daheim so prüden und politisch korrekten Amerikaner sehen, dass das Leben anders ist, und Alkohol- und Rauchverbote kein Weg sind. Der Mensch ist frei geboren, wird immer mehr gegängelt, aber hier kann er die Sau rauslassen. Und 99 Prozent sind gut gelaunt und in Verbrüderungsstimmung. Das ist einmalig.

Adrian Prechtel

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