Interview

Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume (CSU): "Das schönste Amt der Welt"

Markus Blume über seine ersten 100 Tage als Minister für Wissenschaft und Kunst, den Sanierungsstau und einen Masterplan für München.
Robert Braunmüller, Markus Peherstorfer |
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Markus Blume beim AZ-Interview auf der Terrasse des Landtagsrestaurants im Maximilianeum.
Markus Blume beim AZ-Interview auf der Terrasse des Landtagsrestaurants im Maximilianeum. © Daniel Loeper

München - Ende Februar "verfeinerte" Ministerpräsident Markus Söder das bayerische Kabinett. Kunstminister Bernd Sibler schied aus - er wurde als Nachfolger des neuen Bauministers Christian Bernreiter zum Landrat in Deggendorf gewählt. Neuer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst wurde der bisherige CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er ist nun 100 Tage im Amt.

AZ: Herr Blume, wie ist Ihre Bilanz nach 100 Tagen im Ministeramt?
MARKUS BLUME: Es waren großartige 100 Tage mit unzähligen Gesprächen, Begegnungen und auch Entscheidungen. Ich konnte zum Beispiel unsere Hochschulreform in den Landtag einbringen, die Weichen für den Medizincampus Niederbayern stellen, ein Neustart-Paket für die freie Szene im Kulturbereich schnüren und die Mittel für die Forschung steigern. Sie sehen, die Vielfalt in meinem Ministerium ist riesig. Es vereint das Beste in Bayern: Tradition und Fortschritt, Heimat und Hightech. Die Arbeit macht Spaß und die Zeit vergeht wie im Flug! Mir kommen die 100 Tage mindestens wie ein halbes Jahr vor.

Wie froh sind Sie als Münchner Feingeist, dass Sie nicht mehr Generalsekretär sein müssen?
Generalsekretär ist eine ganz besondere, eine einzigartige Aufgabe in der CSU-Welt. Ich möchte keinen Tag missen, aber genauso erfüllt bin ich jetzt von meiner neuen Aufgabe. Sie merken, ich habe Freude an meiner Arbeit.

Sie haben eine Reihe von Baustellen vorgefunden, und zwar im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Im wörtlichen Sinne: ja. An vielen Kulturbauten - lauter große Schätze - nagt der Zahn der Zeit. Allein in München gibt es einen Investitionsbedarf von grob geschätzt drei Milliarden Euro. Hier müssen wir Wünsche und finanzielle Möglichkeiten übereinanderlegen. Ich möchte einen Masterplan Kultur in München vorlegen, der alles umfasst: Sanierungen ebenso wie neue Konzepte. Verlässliche Kulturpolitik bedeutet übrigens auch, dass Interimslösungen für die Zeit der Sanierung geschaffen werden.

"Bei der Neuen Pinakothek kostet die Sanierung inzwischen mehr als der Neubau"

Welche Münchner Kulturbauten fallen unter die drei Milliarden?
Zuerst einmal die Bayerische Staatsoper, eines der führenden Opernhäuser weltweit. Der Blick nach Stuttgart zeigt, dass eine solche Sanierung leicht eine Milliarde Euro kosten kann. Dazu kommt das Residenztheater - Stichwort Bühnentechnik. Das wird einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag kosten. Auch am Marstall muss etwas geschehen. Und: Bei der Neuen Pinakothek kostet die laufende Sanierung inzwischen mehr als der Neubau vor 40 Jahren.

Wieso soll es diesen "Masterplan Kultur" erst jetzt geben? Es ist doch nicht erst seit gestern bekannt, dass hier ein massiver Investitionsstau ist.
Bauen ist eine Daueraufgabe. Gärtnerplatztheater, Glyptothek, Alte Pinakothek: Das haben wir alles in den letzten Jahren saniert. Der Wunschzettel ist einfach immer länger als die Möglichkeiten. Wir leben in einer schwierigen Zeit. Die finanziellen Folgen von Corona und Ukraine-Krieg sind für uns eine Herausforderung, die Folgen teilweise noch gar nicht absehbar. Wir müssen also priorisieren, in Zeitachsen denken. Manche Sanierungen sind irgendwann unabwendbar. Das gilt übrigens auch für die Universitätskliniken. Der komplette Neubau in Großhadern ist ein Milliardenprojekt, ähnlich weitreichend ist auch der Ausbau vom Rechts der Isar.

Die Sanierung des Hauses der Kunst wurde 2012 beschlossen. Wo ist der Kran? Manche Sanierungen scheinen doch nicht dringend zu sein.
Wenn's beim Haus der Kunst reinregnet, solle ich einen Eimer aufstellen und zur Kunst erklären, hat mir ein früherer bayerischer Finanzminister im Spaß geraten. Im Ernst: Das kann höchstens ein vorübergehender Ansatz sein, keine Dauerlösung. Und dennoch: Trotz der vielen anstehenden Baumaßnahmen müssen wir immer auch ein gutes Gleichgewicht zwischen Investitionen in Beton und Investitionen in Inhalte finden.

Haben Sie da einen Vorschlag?
Mir wäre ein großes Festival zur digitalen Kunst wichtig, bei dem die Bevölkerung den technischen Fortschritt einmal ganz anders und hautnah erleben könnte.

Meinen Sie damit die Vorschläge des Ministerpräsidenten für die Zukunft des Münchner Filmfests?
Nicht nur. Wir denken da in dieselbe Richtung, wollen die Möglichkeiten von Kunst und Wissenschaft und vielleicht sogar Science-Fiction zusammenbringen und etwas Großes etablieren. Ein echtes Moonshot-Festival.

Markus Blume: "Bestehendes erhalten und neue Akzente setzen"

Leiter bestehender Großinstitutionen wie der Staatstheater reagieren auf solche Aussagen alarmiert: Sie fürchten Kürzungen und Umschichtungen.
Im Gegensatz zu anderen Teilen Deutschlands hat Bayern auch während der Corona-Krise bei Kunst und Kultur nicht gekürzt! Ganz im Gegenteil, wir haben große Unterstützungsprogramme aufgelegt und gleichzeitig für die freie Szene ein Neustartpaket über drei Millionen Euro geschnürt. Ich würde mir wünschen, dass auch andere uns folgen und nicht einzelne Bereiche gegeneinander ausspielen. Die Landeshauptstadt München hat in ihrem Kulturetat bei den großen Institutionen gekürzt. Das darf nicht Schule machen!

Im Moment sieht es aber so aus, als wären die staatlichen Mittel nicht unerschöpflich.
Das stimmt, die Krisen der Welt gehen an Bayern nicht vorbei. Trotzdem brauchen wir Kraft für beides: Bestehendes erhalten und neue Akzente setzen. Dazu müssen wir auch mal anders denken. Museum klingt nach Vergangenheit. Das Konzept für Biotopia in München dagegen ist Zukunft pur: Das könnte ein einzigartiger Ort für eine Entdeckungsreise zu den faszinierenden Grundlagen unseres Lebens auf der Höhe der Zeit werden.

Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume wurde 1975 in München geboren. Er studierte Physik und Politikwissenschaft, arbeitete als Unternehmensberater und wurde 2008 als Direktkandidat für den Stimmkreis München-Ramersdorf in den Landtag gewählt. Von 2018 bis zum Februar 2022 war er Generalsekretär der CSU.
Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume wurde 1975 in München geboren. Er studierte Physik und Politikwissenschaft, arbeitete als Unternehmensberater und wurde 2008 als Direktkandidat für den Stimmkreis München-Ramersdorf in den Landtag gewählt. Von 2018 bis zum Februar 2022 war er Generalsekretär der CSU. © Daniel Loeper

Warum braucht München gleich zwei Exzellenz-Unis?
München ist groß genug für zwei Exzellenzuniversitäten, zwei Unikliniken, mehrere Spitzenorchester, um nur einige Beispiele zu nennen. So entsteht auch ein befruchtender Wettbewerb. Dank der gewaltigen Investitionen des Freistaats spielt München heute international in der Champions League, ist hochattraktiv für die erfolgreichsten Unternehmen der Welt. Leider fehlt in der Stadt aktuell etwas der Mut, diese neue Rolle auch anzunehmen. Da gibt es - und das geht in der Baukultur los - viel Münchner Einerlei: quadratisch, praktisch, gut. Gut, aber eben nicht super! Ich bin überzeugt: München kann mehr! Da sind andere Teile Bayerns deutlich pfiffiger und ambitionierter. Niederbayern ist so von einer Aufsteigerregion zu einem einzigartigen Innovationsökosystem geworden.

Sie haben auch das lange angekündigte Hochschulinnovationsgesetz in den Landtag gebracht. Ist das der Entwurf Ihres Vorgängers oder mussten Sie noch mal Hand anlegen?
Zum Hochschulinnovationsgesetz hat Bernd Sibler einen umfangreichen Dialogprozess mit über 1000 Stellungnahmen organisiert. Jetzt war die Hauptaufgabe, das in einem Vorschlag zu verdichten, der die Hochschullandschaft befriedet - das Vorhaben ist ja sehr unterschiedlich diskutiert worden - und gleichzeitig die eigentliche Zielsetzung deutlich macht: mehr Agilität, Exzellenz und Innovation für die Hochschulen. Mit diesem Entwurf schaffen wir das modernste Hochschulrecht Deutschlands, lassen Gründergeist an den Hochschulen wehen, beschleunigen das Berufungsrecht und sorgen dafür, dass Hochschulen selbst bauen können. Davon verspreche ich mir, dass wir an manchen Stellen den Investitionsstau auflösen können, der in den vergangenen Jahren entstanden ist.

Markus Blume beim Interview mit Robert Braunmüller und Markus Peherstorfer
Markus Blume beim Interview mit Robert Braunmüller und Markus Peherstorfer © Daniel Loeper

Es gab Sorgen, die Geisteswissenschaften würden dadurch marginalisiert.
Es gab in anderen Bundesländern entsprechende Tendenzen - aus meiner Sicht der Hintergrund für die Sorgen. Diesen Weg wollen wir in Bayern nicht gehen. Die Hightech Agenda hat auch den Geisteswissenschaften eine signifikante Zahl neuer Stellen und neue Bedeutung beschert. Neue Technologien müssen auch sozial und ethisch bedacht werden. Deshalb mache ich mir um die Zukunft der Geisteswissenschaften keine Sorgen. Sie haben in Bayern ihren festen Platz.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt hat der Ministerpräsident den Planungen für das Konzerthaus im Werksviertel eine Denkpause verordnet. Braucht man diesen Saal nach der Eröffnung der Isarphilharmonie noch?
Am Ende müssen wir uns alle in Zeiten globaler Krisen, konkreter Nöte und Lasten aus der Zeit der Pandemie vor dem bayerischen Steuerzahler rechtfertigen. Ich halte es für notwendig, innezuhalten und die Kräfte genau zu prüfen. Das passiert gerade. Am Ende soll ein Masterplan Kultur in München stehen, der hoffentlich etwas Klarheit in die Debatte bringen kann.

Wann wird der Masterplan fertig sein?
Auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode.

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Ist der Freistaat womöglich der Investor, den die Stadt für die Generalsanierung des Gasteig sucht?
Der Gasteig ist eine Angelegenheit der Stadt. Wir haben in München als Freistaat eine Vielzahl eigener kultureller Leuchttürme stehen. Ich glaube, dass sich die Aufgabenteilung zwischen Staat und Stadt bewährt hat. Das heißt aber nicht, dass man die kulturelle Infrastruktur in einer solchen Stadt nicht auch klug und an manchen Stellen gemeinsam nutzen könnte.

Vertreter der Stadt haben zuletzt erklärt, der Ball liege beim Konzertsaal im Spielfeld des Freistaats, bei Ihnen liegt er eher im Spielfeld der Stadt.
Jeder hat zunächst noch an seinen eigenen Hausaufgaben zu arbeiten.

Man vernimmt immer wieder Bedauern darüber, dass der Wissenschafts- und Kunstminister nicht direkt aus der Szene kommt. Er habe deshalb nur wenig Ahnung. Was antworten Sie auf diese Kritik?
Kultur kommt aus dem Leben und steht mitten im Leben. Das zu sehen, ist eine wichtige Voraussetzung. Ich empfinde es als Privileg, immer wieder neu staunen und den kulturellen Reichtum Bayerns entdecken zu können. Es ist vielleicht das schönste Ministeramt der Welt, bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst zu sein.

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