Wirtschaftliche Expansion: Geld verdirbt den Charakter
Bis zum 2. September gibt es sieben szenische Opern, 80 Konzerte und 13 Theaterproduktionen in insgesamt 16 Spielstätten. Die erste große Premiere, Mozarts „Zauberflöte”, folgt zeitlich traditionell auf die Eröffnung bei der Bayreuther Konkurrenz. Doch die Salzburger Festspiele haben schleichend schon begonnen: mit einer Woche geistlicher Konzerte als „Ouvertüre spirituelle”.
Alexander Pereira, der neue Intendant verordnet dem Festival einen neuen Wachstumskurs. Die Festspiele sollen noch attraktiver, exklusiver, glamouröser werden. Für diesen Sommer hat er bereits 20 Prozent mehr Karten auflegen lassen und das Programm verlängert. Er protzt mehr denn je mit großen Namen wie Placido Domingo, Anna Netrebko und José Carreras.
Für seine Wachstumsoffensive braucht Pereira vor allem eines: Geld. Mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ist er auf allen Kontinenten unterwegs, um neue Sponsorengelder einzusammeln. Die ohnehin satten Kartenpreise wurden erhöht. Und auch vom Staat, der heuer 13,5 Millionen Euro des 56-Millionen-Budgets trägt, will Pereira einen Zuschlag. In der Sitzung des Festspielkuratoriums im Mai hatte der Intendant für 2013 sogar 64 Millionen veranschlagt. Dann ist Wagner- und Verdi-Jahr. Und „die beiden Herren” , sagte Pereira süffisant, hätten „leider keine Symphonien geschrieben”.
Doch ein Budgetsprung um 25 Prozent in nur zwei Jahren war den Festspielkontrolleuren zu viel. Einstimmig deckelte das von Politikern beherrschte Gremium das Budget 2013 bei 60 Millionen Euro. „Mehr werden wir nicht genehmigen.”
Pereira drohte verklausuliert mit Rücktritt. Damit hatte Salzburg wieder das Polit-Sommertheater, das der Kunst an der Salzach voranzugehen pflegt. Eigentlich hätte man wissen müssen, wen man sich holt. Schon in Zürich, wo Pereira mehr als ein Jahrzehnt Chef der Oper war, hatte er vorgemacht, wie man eine Kulturinstitution auf wirtschaftlichen Erfolg trimmt.
Den regelmäßig geäußerten Vorwurf, dass dabei die Kunst auf der Strecke bleibe, hält Pereira für ungerecht. „Man hat mich oft in eine Geldecke gestellt und den Anteil des Künstlerischen dieses Berufes in Bezug auf meine Person bagatellisiert”, findet er. „Aber diejenigen, die das beurteilen können, nämlich die Künstler, die wissen schon, dass sie in mir auch im Künstlerischen einen Partner haben.”
Jüngst ergriff auch der frühere Wiener Staatsopernintendant Ioan Holender auf der Salzburger Sommertheaterbühne das Wort. In einem Zeitungskommentar mokierte er sich über den Sponsorenkult, der die Kunst zu erschlagen drohe. „Künstlerische Inhalte, Spieldramaturgie, die Künstler selbst sind von der Finanzkraft, deren Effizienz und Wachstum dominiert.”
Aus München meldete sich wieder einmal Nikolaus Bachler, Chef der Bayerischen Staatsoper. Es gehe nicht darum, wie viele Premieren man stemmen könne, sondern um die Qualität. Dass Salzburg bald ohne Festspielchef dasteht, glaubt Bachler nicht. „Pereira wollte nirgends anders hin als nach Salzburg. Warum sollte er da zurücktreten?” Wer sich im Budgetstreit durchsetzt, entscheidet sich wohl in der nächsten Kuratoriumssitzung am 26. Juli. Wahrscheinlich gibt es einen Kompromiss, der beiden Seiten erlaubt, ihr Gesicht zu wahren.
Infos und Karten unter www.salzburgfestival.at