Wirkungsvolles Kleben

Beim Ballettdoppel „Mein Ravel“ kommen dank Kent Nagano und dem Staatsorchester auch die Ohren voll auf ihre Kosten
von  Abendzeitung

Beim Ballettdoppel „Mein Ravel“ kommen dank Kent Nagano und dem Staatsorchester auch die Ohren voll auf ihre Kosten

Ivan Liska strahlte. Er hat es geschafft, dass sich nach über 50 Jahren mal wieder ein Opern-Generalmusikdirektor für das Ballett interessiert. Natürlich nicht ohne Hintergedanken. Musik von Maurice Ravel gehört zu Kent Naganos Sahnestückchen. Seine „Daphnis“- CD zählt zu den herausragenden Einspielungen des Werkes. Und so kam es, wie kommen musste: Am Ende standen Dirigent und Staatsorchester beim Ballettabend „Mein Ravel“ in der Publikumsgunst ganz oben.

Wohl auch deshalb, weil der 26-jährige Terence Kohler eine zwar hübsche, in Einzelheiten durchaus amüsante Choreografie von „Daphnis et Chloé“ ablieferte, sich aber doch immer wieder verzettelte. Konventionelle Gesten, neoklassizistische Bewegungsrituale – auf der impressionistisch aufgemotzten Bühne (Ausstattung: Jordi Roig) herrschte eine derartig antiquierte Tanzästhetik, dass man doch erstaunt war. Die beiden Protagonisten Karen Azatyan (Daphnis) und Mai Kono (Chloé) konnten oder durften kaum Persönlichkeit zeigen. Pan (Wlademir Faccioni) sahnte ab: virtuos, biegsam, ausdrucksstark.

Bemerkenswerte Momente

Eindrucksvoller war da schon der erste Teil des Abends. Jörg Mannes, derzeit Ballettdirektor in Hannover, hatte drei höchst unterschiedliche Konzertstücke – „Une barque sur l’ocean“, Klavierkonzert für die linke Hand, „Pavane pour une infante défunte“ – wirkungsvoll, wenn auch ein wenig willkürlich zusammen geklebt. Warum die Choreografie „Wohin er auch blickt“ heißt, war nicht zu ergründen.

Aber insgesamt boten diese dreißig Minuten, in denen die Paare scheinbar ziellos variable Lichtgitter (Bühne: Tina Kitzing) umkreisen, eine Menge bemerkenswerter Momente. Am intensivsten zu den Klängen der „Pavane“: Daria Sukhorukovas Solo, das von den Ängsten der Einsamkeit erzählt, traf die Atmosphäre der Musik auf beklemmende Weise.

Es bleibt abzuwarten, wie der Abend wirkt, wenn Kent Nagano nicht mehr am Pult steht. Unter ihm erblühte das Staatsorchester geradezu, der Opernchor zauberte die „Daphnis“-Vokalisen mit wunderbarer Klangraffinesse herbei. Die Ohren kamen voll auf ihre Kosten. Was bei einem Tanz-Event erfahrungsgemäß eher selten ist.

Volker Boser

Wieder am 26. und 28.11. sowie am 21. und 29.1.2011 im Nationaltheater, Karten: Tel. 21851920

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