„Wir leben in seiner seltsamen Welt“
Eros Ramazotti, der Superstar des Italopop schwankt zwischen Freiheit und Geborgenheit
Eine Privatstraße in Mailand, Hinterhofgebäude, zweiter Stock. In diesem heimeligen, versteckten Studio spricht Eros Ramazotti gutgelaunt über sein neues Album „Ali E Radici“, zu deutsch „Flügel und Wurzeln“. Vier Jahre mussten die Fans darauf warten. Nächstes Jahr geht er auf Tournee und kommt am 25. März 2010 auch in die Olympiahalle. Ein Lieblingsthema von Eros ist Fußball.
AZ: Sie sind in Rom geboren, leben seit über 20 Jahren in Mailand. Warum sind Sie Fan von Juventus?
EROS RAMAZOTTI: Einfach, weil mein Vater und mein Onkel schon in den 50er-Jahren Juve-Fans waren.
Und wo fühlen Sie sich zuhause?
In Mailand, wo ich Karrierechancen bekam. In Rom habe ich einige Jahre gelebt, aber in den Außenbezirken. Ich bin in Cinecittà aufgewachsen, Rom als die Hauptstadt, den Sitz des Papstes, den Ort, an dem die Reichen wohnen, habe ich also nicht wirklich verlassen. Der Römer ist konservativ. Für ihn gibt es keine andere Stadt auf der Welt. Ich sehe mich aber eher als einen Italiener, einen Mann von Welt, der Grenzen überschreitet.
Für Ihr neues Album haben Sie mit zwei alten Partnern gearbeitet. Brauchen Sie eine familiäre Atmosphäre?
Unbedingt. Und ich glaube an den Satz: Never change a winning team. Bei uns ist es ja nicht wie mit Fußballern, die irgendwann alt werden. Wir werden eher immer besser.
Ein Song Ihres neuen Albums, handelt von Freundschaften. Sind Ihnen die inzwischen wichtiger als Liebe?
Normalerweise geht eine große Liebe zulasten von Freundschaften. Vor allem Frauen wollen dann ja immer bei dir sein, schotten sich gerne gegenüber anderen Personen ab. Liebe und Freundschaft sind zwei verschiedene Dinge, es ist um so besser, wenn beide da sind.
Welche Bedeutung hat der Albumtitel „Ali E Radici“?
Er drückt aus, wie ich mich momentan fühle. Da ist auch der Wunsch, das Glück mit einer anderen Person zu suchen, jemanden zu finden, mit dem du dein Leben teilen kannst. Und dann ist da die Angst, etwas aufgeben zu müssen. Also entweder zu sesshaft zu werden oder doch zu fliegen, sich frei zu fühlen. Während der letzten acht Jahre hatte ich zwar meine Tochter Aurora, aber ansonsten lebte ich doch mehr oder weniger alleine. Aber ich fühle mich großartig dabei. Auch wenn man manchmal eine weitere wichtige Person im Leben vermisst.
Wollen Sie mit dem Album eine neue Leichtigkeit rüberbringen in Zeiten der Krise?
Ein insgesamt positives Grundgefühl, ja, auch wenn sich manches darum dreht, was in der Welt nicht richtig läuft. Wir hoffen immer, dass sich die Dinge ändern, ich glaube, dass US-Präsident Obama jemand sein könnte, der einen Unterschied macht. Wenigstens sagt mir das mein Bauchgefühl.
Gibt es europäische Hoffnungsträger?
In Europa haben Umweltschutz, Respekt gegenüber anderen Menschen, Toleranz generell einen höheren Stellenwert als in den USA. Vor allem in Deutschland, Österreich, in der Schweiz. Dort herrscht auch weniger politische Konfusion als hier in Italien, in Frankreich oder Spanien. Was ich aber zu einem gewissen Grad fürchte, ist, dass irgendwo auf der Welt ein Wahnsinniger auf den roten Knopf drückt.
Darüber will man nicht nachdenken, oder?
Wir leben schon in einer seltsamen Welt. Wenn ich mir die letzten Jahre hier in Italien anschaue. Jugendliche, die ihre Eltern ermorden. Nachbarn, die fünf Menschen und einen zweijährigen Jungen umbringen. Die Leute werden verrückt. Überall. In Deutschland geht ein Junge in seine Schule und tötet 20 Kameraden. Damit wird man nicht fertig, ohne Freunde, ohne Liebe und gute Gedanken.
Stefan Weber
„Ali E Radici“ bei Sony/RCA. Der Vorverkauf für das Konzert im März 2010 läuft bereits
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