Wimmern aus dem Sumpf des Lebens

Ein Grenzgänger: Die Bluesrocklegende Willy DeVille starb im Alter von 58 Jahren
von  Abendzeitung

Ein Grenzgänger: Die Bluesrocklegende Willy DeVille starb im Alter von 58 Jahren

Vor ein paar Jahren hätten die mich hier gar nicht reingelassen“, scherzte Willy DeVille im November 2006 im Münchner Herkulessaal. Und wahrlich, man konnte sich kaum einen Künstler deplatzierter in der Münchner Residenz vorstellen als das in Stamford, Connecticut geborene Gespenst des Blues und Rock’n’Roll.

Willy DeVille war damals in der grandiosen Spätphase seines Schaffens angekommen, das 30 Jahre zuvor mit der Band Mink DeVille und einer einzigartigen Mischung aus Blues, Cajun und Rock begonnen hatte. Die zwei Jahrzehnte währende Heroinsucht lag endlich hinter ihm, auch die alkoholgetränkte Trauer über den Verlust zweier Frauen, die ihm weggestorben waren.

Der Mann, der Hendrix „Hey Joe“ auch musikalisch an die mexikanische Grenze verlegte, hatte viel Herz, vielleicht sogar „Demasiado corazón“, wie er in seinem bekanntesten Stück sang und flehte. Die ganz große Anerkennung für seine Fusion verschiedenster (latein)amerikanischer Musikstile blieb ihm in seiner Heimat verwehrt, auch wenn er für den Song „Storybook Love“ aus Rob Reiners Kinofilm „Die Braut des Prinzen“ 1987 eine Oscarnominierung erhielt. Dafür liebte ihn sein Publikum in Europa umso mehr. Vor allem in Deutschland, wo er seit seinem „Rockpalast“-Auftritt am 17. Oktober 1981 (wer sich erinnern mag: nach den Undertones und vor Black Uhuru) sehr häufig auf Tournee war. Egal in welcher körperlichen Verfassung.

So spielte er allein mit Gitarre ein Zweistunden-Set in einer Münchner Discothek, oder – besonders intensiv – mit Seth Farber am Piano und David Keyes am Bass im Herkulessaal. Er traf zuletzt nicht immer den richtigen Ton, aber wie er daneben sang und mit welcher ungeheuren Ausdrucksstärke er seine Lieder bis zum Gewimmer variierte, das war eine eigene ergreifende Kunst.

Er ließ das Blut in den Adern gefrieren

Im letzten Jahr rockte er noch einmal die Muffathalle in großer Band-Besetzung und nahm sein Album „Pistola“ auf, das ungeplant sein großes Abschiedswerk wurde: mit unsterblichen Balladen und der Spoken-Word-Nummer „Stars That Speak“, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Als er auch dank seiner dritten Ehefrau und Managerin Nina sein Leben wieder in den Griff bekam, musste sein Körper dem jahrzehntelangen Raubbau Tribut zollen. Vor wenigen Monaten diagnostizierten die Ärzte einen Tumor an der Bauchspeicheldrüse, als sie DeVille wegen seiner Hepatitis C-Infektion behandelten. In der Nacht zum Freitag ist der Musiker im Alter von 58 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus „friedlich verschieden“, wie seine Frau Nina bestätigt.

„Willy DeVille ist heute Nacht von uns gegangen, um Edith Piaf, Elvis, Jack Nietzsche & Johnny Thunders zu treffen. Friede seiner Seele", heißt es auf der Homepage seiner Agentur Caramba.

Volker Isfort

Bayern 2 sendet am 8. August um 23.05 Uhr den Mitschnitt von DeVilles Konzert aus der Muffathalle (2008)

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