Hier hat vorerst nur eine Person gewonnen: Und das ist nicht Regina Halmich
Es war alles für die Show. Für die neue Raab-Show. Nach knapp 10 Jahren Pause – Stefan Raab hatte sich 2015 verabschiedet – und drei Stunden Raab-Dauerwerbesendung ist klar, was eh schon vielfach gemunkelt wurde: Er will es wieder tun. Stefan Raab kehrt aus seiner selbstgewählten TV-Rente zurück.
Wer das aus erster Hand erfahren wollte, musste sich am Samstagabend erst einmal durch zwei Stunden Huldigung voller Schnipsel der Raab-Vivasion-TV-Total-ESC-Kanzlerduell-Wok-WM-Karriere kämpfen. Udo Lindenberg, Thomas Gottschalk, Michael "Bully" Herbig, Anne Will, Campino ("Die Toten Hosen") und Helge Schneider wurden immer wieder als Zitatgeber für das Genie von Raab eingeblendet. Oder anders gesagt: Die Showrentner vergangener Tage versicherten sich gegenseitig ihrer einstigen Relevanz und Größe.
"Am Sack trainiert", sagte Stefan Raab doppeldeutig ordinär
Die 47-jährige und 46-fache Boxweltmeisterin Regina Halmich war Hauptfigur im Vorfeld und nur Randfigur am eigentlichen Abend. Nachdem sie endlich in den Ring durfte, ging es ihr wie allen Zuschauerinnen und Zuschauern: Sie musste warten.
Um kurz nach 22 Uhr und nach reichlich Rückblicken auf alte Raab-Shows ohne großen Neuigkeitswert war es dann so weit: Der einstige Metzger-Lehrling aus Köln-Sülz ließ sich nahezu religiös von seinem Publikum empfangen. Nach einem Countdown schob sich eine Show-Treppe aus der Hallendecke, die vom Himmel herabzuführen schien. Danach schwebte die Fitness-Influencerin Pamela Reif als Engel an Halteseilen über das Publikum und sang die, natürlich von Raab komponierte Hymne: "Stefan Raab ist zurück."
Raab selbst stieg daraufhin genüsslich langsam in weißem Anzug und weißem Umhang die Himmelsleiter zu pathetischer Musik hinab und schien das Licht im Raum gottgleich unter Kontrolle zu haben. Mit den beiden Rappern Sido und Ski Aggu sang er seinen neuen Boxkampf-Song "Pa aufs Maul".
Der 57-Jährige sah so sportlich aus wie nie. Nach all den Clips in Vorfeld im Fatsuit kam Raab an einer Auflösung im Fitlook schon nicht mehr vorbei. "Ich habe zehn Kilo abgenommen, ich habe nur Hähnchen und Salat gegessen – für morgen früh aber schon Mett gekauft", so Raab zu seinen Vorbereitungen. Zudem habe er "einfach hart trainiert. "Im Wesentlichen habe ich alleine die ersten vier Monate nur am Sack trainiert", sagte er. Gemeint war ein 45-Kilo-Sack aus dem Boxsport-Bedarf. Aber der Satz gefiel dem Moderator so besser – klassischer Raab-Humor.

Raab war der Sieger seiner Show, auch wenn er klar verlor
Schon vor dem Eintritt in den Ring stand er in Siegerpose da, im Sixpack, beachtlich. Allerdings: Von all der Fitness war bereits in der ersten Runde nicht mehr viel übrig. Nach den ersten Schlägen von Halmich zeigte sich: Raab hatte seine Puste für die vorherige Ego-Show verbraucht, nur der Gong rettete ihn über die sechs kurzen Runden.

"Ich bin gerade erst warm geworden", sagte Halmich denn auch im Anschluss, die selbst zwar ein paar Blessuren im Gesicht davontrug, aber sonst klare Siegerin des Kampfs gegen Raab war – wie davor schon 2001 und 2007. Aber das spielte am Ende gar keine Rolle mehr. Halmich wurde zur Statistin. Raab war der Sieger seiner eigenen Show. Spätestens als er ankündigte: Ich bin wieder da, mit einem eigenen Format.
Mit fast 60 Jahren soll Stefan Raab jetzt also alles retten. Sich selbst vor dem Unruhestand – dem Entertainer waren knapp zehn Jahre ohne sein Gesicht im TV wohl genug – und den Sender RTL – die alten Fernsehgranden drohen in die Bedeutungslosigkeit abzudriften. Schließlich schauen immer weniger Menschen noch das analoge TV, und die Werbung bringt schon lange nicht mehr so viel Geld ein.
Er soll Millionen bringen, auch wenn der Gast gewinnt
Das weiß man auch beim Kölner Sender: Der Fast-Rentner soll die Millionen ins Digitale locken. Schon am kommenden Mittwoch um 20.10 Uhr soll alles beim Streamingdienst RTL+ zu sehen sein.
Der Sendetag seiner neuen Show hat zugleich eine gewisse Brisanz. Der Mittwochabend ist auch der Sendeplatz von "TV total" bei ProSieben – Raabs alter Show, nun moderiert von Sebastian Pufpaff. Auch wenn Raab nun im Netz zu sehen sein wird.

Den Sinnesumschwung erklärte Raab bei einer fiebertraumartigen Pressekonferenz, bei der er zeitweise auf dem Tisch tanzte, damit, dass er mit RTL eine "übereinstimmende Philosophie gefunden" habe. Er ließ durchblicken, dass er Freiheiten brauche, um so arbeiten zu können, wie er das wolle. Mit Millionen. Jeden Mittwoch macht Raab jetzt, was er früher am besten konnte: Er lässt andere gegen sich antreten. Der Gewinner bekommt eine Million Euro, wenn er denn gewinnt.
Der bezeichnende Titel der Show: "Du gewinnst hier nicht die Million!" Am Ende ist klar: Es ging nie um einen Boxkampf, sondern um den Kampf zweier TV-Zombies vor dem zu schnellen Vergessenwerden. Willkommen in der TV-Apokalypse von heute.
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