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Das Filmcasino am Odeonsplatz ist bankrott: Kommt jetzt ein Szeneclub, ein Restaurant oder Münchens neues, einziges Edelkino?
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Das Filmcasino am Odeonsplatz ist bankrott: Kommt jetzt ein Szeneclub, ein Restaurant oder Münchens neues, einziges Edelkino?

"Gut Licht, gut Ton und volle Kassen“: Dieser Name der Kinobetriebs-Gesellschaft von Louis Anschütz klingt jetzt wie Hohn: Denn sein Filmcasino ist endgültig pleite und damit – nach knapp 60 Jahren – ein echtes Filmkunsttheater und Münchner Filmjuwel am Ende.

Der Konkursverwalter

Anschütz’ Konkursverwalter Stephan Jaeger beendet den Betrieb zum 31. Mai, wie er der AZ bestätigt. Denn ab Juni kann er die knapp 20 000 Euro Pacht pro Monat nicht mehr bezahlen: „Eine Summe, die man mit einem Kino mit einer Leinwand nicht mehr erwirtschaften kann. Schade: Denn das Filmcasino ist in seiner Schönheit und Größe als Arthaus-Kino mit 300 Plätzen in Deutschland einzigartig“, sagt Jaeger.

Der Immobilien-Eigentümer

Wie es jetzt weiter geht, liegt in der Hand des Eigentümers Carl Gross, der auch eine Immobilienverwaltungs GmbH in Solln betreibt. Gross ist Rechtsanwalt und hat mehrmals die Pacht „nach den Möglichkeiten des Marktes“ erhöht, wie Jaeger sagt. Denn das Filmcasino befindet sich in Bestlage – mit den teuersten Einkaufsstraßen Münchens in unmittelbarer Nähe. Überhaupt ist der Odeonsplatz der schönste Platz Münchens mit einem hohen Flanier-Wert. Aber Schaufenster für eine weitere Edelboutique hat das Filmcasino nicht. Der Saal liegt im ersten Stock.

Droht jetzt ein weiterer Szeneclub?

Eigentlich läuft der Pachtvertrag erst am 31.12.2012 aus. Für die Zeit danach will sich eine Münchner und internationale Nachtlebensgröße den Zuschlag sichern: Constantin Wahl, Betreiber des Pacha-Clubs am Maximiliansplatz mit Filialen von Ibiza bis Ischgl, von Moskau bis Sao Paulo. Nur kommt die Insolvenz des Filmcasinos jetzt etwas plötzlich. Im Gespräch mit der AZ hält es selbst Constantin Wahl für möglich, ein Kino an diesem Ort zu erhalten: „Nur sagen alle, dass das mit einer einzigen Leinwand wirtschaftlich nicht geht! Ich will das Traditionskino nicht platt machen. Wenn es aber nicht geht, wäre auch ein gehobenes Restaurant hier denkbar.“

Dazu wären aber auch Freischankflächen wichtig. Doch im Hofgarten sitzt bereits mit hunderten von Plätzen das Tambosi. Weitere Flächen will die Stadt hier aller Wahrscheinlichkeit nicht einräumen. Dagegen haben auch schon einige der aristokratischen Mieter in den Hofgartenarkaden gekämpft. Bleibt also zu hoffen, dass hier kein weiterer Szeneclub als Konkurrenz zum P1, Sugar, Max&Moritz, Retro Maximilian’s oder Baby aufmacht.

Spekulationen

Weil es wohl wenig Chancen auf eine Genehmigung von Freischankflächen gibt, bleibt das Poker um die Räume des Filmcasinos spannend. Wahls Mitbewerber wollen von einer Art „Vorkaufsrecht“ für Constantin Wahl gehört haben, das andere Bewerber blockiere. Wahl bestreitet die Existenz eines solchen Vorvertrages: „Im Gegenteil. Ich selbst verhandle ja seit zehn Jahren um die zukünftige Nutzung.“ Ein Kino-Neuanfang mit Nutzung des Foyers als eine Art Lounge oder Bar würde geschätzte 1,5 Millionen Euro, einschließlich Digitalisierung des Kinos kosten. Aber es soll Interessenten geben, die etwas Besonderes planen.

Münchens erstes Edel-Kino?

Herbert Kloiber soll um die Nutzung des Filmcasinos mitpokern. Der österreichische Filmrechtehändler ist auch Besitzer der Münchner Tele 5 Gruppe. Außerdem ist er Großanteilseigner der Multiplex-Kinokette Cinemaxx. Ebenso soll Hans-Joachim Flebbe, der ehemalige Vorstand der Cinemaxx AG, sich um das Filmcasino beworben haben. Im Gegensatz zu Kloiber betreibt er bereits ein Edel-Kino in Berlin. Unter Flebbe wurde der Filmpalast zur Astor Film Lounge, Deutschlands erstem Premiumkino.

Mit im Spiel ist auch noch der Münchner Filmproduzent Karel Dirka. Sein Konzept würde vielleicht am stärksten an die Tradition des Filmcasinos der 50er Jahre anknüpfen, als das Kino noch Restaurant und Bar hatte. Dirka will nach AZ-Informationen auch den 50er-Jahre-Stil als besonderes Flair erhalten. Mit ihm als Betreiber würde das jetzt nur als ungemütliche Durchgangshalle genutzte Foyer zur gediegenen Club-Bar. Im Inneren könnte vielleicht ein völlig neues, edles Konzept gefahren werden: statt 300 nur 150 Plätze, dafür sitzt man im Halbrund um Nierentische in Clubsesseln und wird bedient. Der Vorteil: Die Kinogänger nutzen den Kinoraum auch zum Essen und Trinken und bleiben nach der Vorstellung im Club.

So ließe sich vielleicht die hohe 20 000-Euro-Monatspacht erwirtschaften und die große Kinotradition am Odeonsplatz hätte weiterhin eine Chance. Vielleicht kann sich ja noch der cinephile Oberbürgermeister einschalten. Die Rettung eines der schönsten Münchner Kinos mit einem tragfähigen Zukunftskonzept wäre doch ein Gespräch wert, oder?

Vielleicht kann sich ja noch der cinephile Oberbürgermeister einschalten. Die Rettung eines der schönsten Münchner Kinos mit einem tragfähigen Zukunftskonzept wäre doch ein Gespräch wert, oder?

Adrian Prechtel

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