Wie in Oberammergau
Auf der Suche nach dem Sinn: Verdis frühe Oper „Giovanna d’Arco“ im Gärtnerplatztheater
Da kamen zwei eigensinnige Köpfe nicht zusammen. Der junge Verdi vertonte die Geschichte der Jungfrau von Orléans wegen der reichen Gelegenheiten zu martialischem Operngeknatter. Den Regisseur Thomas Wünsch trieb um, ob sie wirklich in des Himmels Namen für Frankreich kämpfte.
Der künstlerische Funke dieser Reibung wollte am Gärtnerplatz nicht zünden. Wackere Schauspieler verdoppeln wackere Sänger. Sie stritten frei nach den Akten des Prozesses gegen Jeanne d’Arc wortreich über den Sinn des Lebens. Auch eine zwischen Jesus und Luzifer oszillierende Gestalt macht sich wichtig, was sich aber außerhalb der Gemeindegrenzen von Oberammergau ästhetisch verbieten sollte.
Das pathetische Gerede über Gott und die Welt, bei dem auch der unerlässliche dicke Inquisitor nicht fehlen wollte, zieht den Abend in die Länge. Zu sehen gibt es manches: Prächtige Kostüme, die Geburt Satans aus dem Leib der Jungfrau samt sündiger Lüste und eine Abendmahlsvision frei nach Leonardo da Vinci. Die Figuren der Oper ringen dazu mit den Händen und schwingen das Schwert.
Die Musik lohnt den Besuch. Verdi nahm unter dem Einfluss von Meyerbeer hier ein Update auf Donizetti 2.0 vor. Unter Henrik Nánásis kundiger Leitung gelang dem brillant und spritzigen Orchester des Gärtnerplatztheaters eine Glanzleistung.
Musikalisch lohnend
Gesungen wird ordentlich: Sandra Moon (Giovanna) ergreift mit Innigkeit, für Dramatisches fehlt ihr die letzte Kraft. Harrie van der Plas knödelt den König, Riccardo Lombardi imponiert mit dürr gewordenem Bariton als böser Verdi-Vater. Das A-Cappella-Terzett im Prolog aber sollten sich alle drei gelegentlich noch einmal vornehmen.
Der Zorn des Premierenpublikums verfolgte den Regisseur und die (schuldlosen) Schauspieler. Die musikalischen Akteure wurden bejubelt. Honeggers „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ wäre für den nach Mysterienspielen dürstenden Regisseur die bessere Wahl gewesen, statt den Agnostiker Verdi korrigieren zu wollen. Das geht nur dann, wenn man wirklich was zu sagen hat.
Robert Braunmüller
Wieder am 5., 8., 27.Oktober und im November, Tel. 2185 1960<7i>