Wie frisch gebacken

Ein Kandidat für die Münchner Philharmoniker? Der junge Brite Robin Ticciati ist eine der großen Nachwuchs-Hoffnungen unter den Pultstars. Am Sonntag dirigierte er bei der Mozartwoche
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Ein Kandidat für die Münchner Philharmoniker? Der junge Brite Robin Ticciati ist eine der großen Nachwuchs-Hoffnungen unter den Pultstars. Am Sonntag dirigierte er bei der Mozartwoche

In der Debatte um die Thielemann-Nachfolge gibt es die Denkfigur vom jungen, mit den Münchner Philharmonikern wachsenden Dirigenten. Wer käme da in Frage? Unvermeidlich fällt da der Name des von Colin Davis und Simon Rattle nachhaltig geförderten Robin Ticciati.

Der 1983 in London geborene Wuschelkopf eroberte bereits die Mailänder Scala oder Covent Garden und ist Gastdirigent der Bamberger Symphoniker. In München, wo junge Talente traditionell zögernd engagiert werden, stand er noch nie am Pult. Bei der Salzburger Mozartwoche näherte er sich der Stadtgrenze immerhin auf 130 Kilometer.

Mozart und moderne Klassiker

Das Winterfestival der Salzachstadt verbindet üblicherweise den Lokalheros mit klassischer Avantgarde wie György Ligetis „Ramifications“. Bei dieser Klangfarbenmusik von 1969 wirkten die Streicher des Mozarteumorchesters wohlstudiert. Der Dirigent funktioniert bei der Aufführung mehr als lebende Verkehrsampel. Den heftigen Ausbruch am Ende holte Ticciati aus den Musikern dennoch mit wild aufgerissenen Augen angemessen gefühlsbetont heraus.

Mit ebenso ansteckender Deutlichkeit freute er sich über die tickende Begleitung des Themas von Mozarts Violinkonzert KV 319 und noch mehr über den Eintritt der Reprise. Ticciati ließ die Forte-Schläge heftig dreinfahren, hinderte das Orchester an der Benutzung des Autopiloten und brachte das Stück wie frisch gebacken heraus. Leider konnte die wackere, aber in der Tongebung nicht völlig saubere Geigen-Solistin Veronika Eberle kaum angemessen mithalten.

Etwas rumpelig

Nach der Pause folgte György Kurtágs „Movement“ für Viola und Orchester, ein düsteres Werk der Bartók-Nachfolge von 1953. Im Unterschied zum fabelhaften Solisten Antoine Tamestit wurde das Orchester bedenklich laut, was im Mozarteum zu massig-stumpfem Dröhnen führt. Dieses Rumpeln störte auch bei Mozarts Prager Symphonie. In der langsamen Einleitung kam die tragische Dimension zwar schön heraus, doch am unterprobiert wirkenden Rest haftete eine derbe Erdenschwere von Alltäglichkeit.

Dennoch: Ticciati hat viel Charisma. Städtische Spione blieben unsichtbar, aber der Manager des BR-Symphonieorchesters war da. Schön, dass dort wenigstens über dem Gegenwartsruhm die Zukunft nicht aus den Augen verloren wird.

Robert Braunmüller

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