Wie der Wind im Ohr beim Sprung
Zerrissen, spannend: Jimi-Hendrix-Biografie von Klaus Theweleit und Rainer Höltschl
Aus der Army, sechsundzwanzig Absprünge mit dem Fallschirm, hatte der durch die Luft sausende Gitarrist die Absicht mitgebracht, so klingen zu wollen wie der Wind in den Ohren beim Sprung aus dem Flugzeug, ...,den Wind spielen wollen’ ... von Orpheus bis Wagner... Nono, Rihm, Ligeti ... jemand ,windiger’ als Hendrix?“ So klingt die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem, eigentlich dem Gitarrengott.
Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit und der Publizist Rainer Höltschl haben sich das zunehmend ausgeforschte Idol der Woodstock-Generation zur Brust genommen und eine Biografie geschrieben, wie sie zerrissener kaum sein könnte. Schnell, spannend und pointiert vor allem aus den jüngsten amerikanischen Standardwerken abgeschrieben, verquast-überhöht, wenn es darum geht, eine Hendrix-Körpertheorie zu entwickeln: „Keine spezielle Mischung transgressiver menschlicher Sexualitätsformen macht Hendrix zu dem Mehr- oder Übergeschlechtlichen, der er in diesen Konstellationen ist. Es ist die pansexuelle Aufladung des Elektrisch-Gitarristischen, die das Liebesfeuer schafft, das Friedensfeuer und Androgyne, wobei auch ,das Weiße’ mitmischen darf.“ Das mag ja sein, aber müsste so eine Theorie nicht eher an Hendrix’ Gitarre erinern als an ein Proseminar?
Erstaunlich auch die „Analyse“ von Hendrix’ „Belly Button Window“: „Aufgenommen allein mit der Gitarre im Studio; ganz kleiner Sound mit einem zärtlichen Wah-Wah, baby-like, Gitarre aus Onomatopoesie, frühfrühkindliches Feeling aus der Fruchtblase von Lucille, die ihre Schwangerschaft in der Schule verbergen musste.“
Biografie mit Überbau
Für Fans mag die Frage, ob Hendrix’ Mutter eine „verlebendigende Lauthülle“ gewesen ist, ebenso nebensächlich sein, wie die, ob der Künstler wirklich nach „physisch-elektrischer Erlösung ins Jenseits des eigenen Körpers“ strebte, oder diese in den besten Augenblicken sogar fand.
Es reicht völlig, dass er mit seinem Spiel Eric Clapton und Pete Townshend derart schockte, dass diese für Wochen ihre gegenseitige Rivalität vergaßen. Da die beiden Autoren aber auch solche Details nicht verschweigen, ist die Biografie – mit Abstrichen – auch für die dem Überbau abgeneigten Musikfans tauglich. Nur das Schlüsselloch zu Hendrix’ „Ladyland“ haben sie verklebt. Hendrix fand ja ohnehin nur Erlösung mit dem Gitarrenkörper.
Volker Isfort
Klaus Theweleit/Rainer Höltschl: „Jimi Hendrix“ (Rowohlt, 250 Seiten, 17.90 Euro)
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