Wie Béla Réthy die Bilder übertrug
Die Stimme des ZDF-Kommentators lieferte während des minutenlangen Bild-Ausfalls die einzigen Eindrücke vom Halbfinale. Das war fast wie früher. Aber nur fast. Beim Mainzer Sender ist man nun sauer und droht der Uefa mit einem Nachspiel.
Ein Stadion in der Schweiz. Eine deutsche Mannschaft. Ein entscheidendes Spiel. Keine Bilder vom Rasen. Nur eine Stimme. Sie kommt allerdings nicht aus den Lautsprecher-Boxen des Fernsehers, so wie am Mittwochabend, als plötzlich das ZDF-Bild ausfällt, sondern aus dem Radio. Und Millionen Deutsche hören dem Radioreporter Herbert Zimmermann gespannt zu. Es ist der 4. Juli 1954.
Deutschland hat sich nach einem 2:0-Rückstand wieder herangekämpft. «Unaufhörlich prasselt der Regen hernieder», stellt Zimmermann fest, und dann kommt Bozsik, «immer wieder Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn.» Er hat den Ball - «verloren». «Diesmal an Schäfer», beobachtet der Reporter hörbar erregt, «Schäfer nach innen geflankt. Kopfball - abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt... Toooor! Toooor! Toooor! Toooor!». Es ist die bekannteste deutsche Radioreportage.
Illegale ZDF-Aktion
54 Jahre später, nicht im Wankdorfstadion zu Bern, sondern in Basel, ist die Situation eine völlig andere. Der ZDF-Reporter Béla Réthy ist es eigentlich gewohnt, sich auf Bilder zu verlassen und gelegentlich einige Einschätzungen und statistische Zusatzinfos einzustreuen. Mittlerweile steht in fast jedem Wohnzimmer ein Fernseher, und die Leute drängen sich nicht mehr vor die wenigen Geräte der Elektroläden. Entsprechend schwierig ist Réthys Aufgabe, als das Bild plötzlich verschwindet, zumal er nebenher auch noch den Ausfall erklären muss. Er beschreibt das Geschehen auf dem Spielfeld recht präzise, aber viel zu emotionslos. Und vermutlich hätte er, auch wenn während des Ausfalls ein Treffer gefallen wäre, nie so schön «Tooor» gebrüllt wie einst Herbert Zimmermann.
ZDF-Moderator Johannes B. Kerner gab sich nach dem Spiel zerknirscht, entschuldigte sich bei den Zuschauern und bedankte sich bei dem ehemaligen Schiedsrichter und Schweizer Co-Moderator stellvertretend dafür, dass das Schweizer Fernsehen seine Bilder zur Verfügung gestellt hatte. Eigentlich eine illegale Aktion: Vertraglich ist das ZDF verpflichtet, die Uefa-Leitungen zu nutzen. Entsprechend ärgerlich gab sich der Sportchef des Senders, Dieter Gruschwitz. Er bezeichnete die Störung als die «ärgerlichste anzunehmende Panne». Die Verpflichtung aller Sender auf das UEFA-Fernsehsignal habe ausgerechnet bei der Übertragung des Halbfinalspiels der deutschen Mannschaft gegen die Türkei seine entscheidende technische Achillesferse offenbart. «Darüber wird noch zu reden sein», erklärte Gruschwitz.
Keine offizielle Erklärung
Bei der Uefa hat man noch keine offizielle Erklärung für die Bildstörung. Uefa-Sprecher Wolfgang Eichler hatte am späten Mittwochabend zunächst das schwere Unwetter über Wien für die Störung verantwortlich gemacht, das unter anderem zur Räumung der Wiener Fanmeile geführt hatte. Später zog er diese Begründung jedoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur APA zurück. Die Umstände müssten erst untersucht werden, sagte Eichler. Von den Bildausfällen seien «alle Länder, außer das Schweizer Fernsehen und Al Jazeera» betroffen. Das Finale am Sonntag wird der ARD-Reporter Tom Bartels kommentieren. Bisher sind noch keine Unwetterwarnungen bekannt. Aber vielleicht hört er sich prophylaktisch noch einmal die Zimmermann-Reportage an, falls mit dem Bild doch noch einmal etwas schief gehen sollte. Zuschauer könnten zur Sicherheit ein Radiogerät bereit halten. Auch heute schließlich schreien die Hörfunk-Reporter noch ordentlich. Nur hören ihnen deutlich weniger Leute dabei zu. Ein Geheimtipp im Fall eines erneuten Ausfalls bleibt offenbar auch Al Jazeera. Die arabischen Kollegen scheinen über spezielle Verträge mit der Uefa zu verfügen. (nz/dpa)