Werkstatt für Hasardeure

Das alte, bislang nicht zurückgezogene Festspielkonzept von Nike Wagner und Eva Wagner-Pasqier steht nun im Internet. Wie schon im neuen Public viewing-Konzept soll ein anderes Publikum durch zeitgemäße Vermittlungsformen angelockt werden.
von  Abendzeitung

Das alte, bislang nicht zurückgezogene Festspielkonzept von Nike Wagner und Eva Wagner-Pasqier steht nun im Internet. Wie schon im neuen Public viewing-Konzept soll ein anderes Publikum durch zeitgemäße Vermittlungsformen angelockt werden.

Was die frisch versöhnten Halbschwestern Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier für Bayreuth planen, ist seit Donnerstag bekannt: Ihr braves Bewerbungskonzept setzt auf Christian Thielemann, den bewährten Werk-Kanon vom „Holländer“ bis zum „Parsifal“ und eine verbesserte mediale Vermarktung (AZ berichtete).

Frischen Wind versprechen sich die Halbschwestern von der historischen Aufführungspraxis: Sie zieht auch unabhängig von der für den 1. September anberaumten Entscheidung des Stiftungsrats über die neue Festspiel-Leitung ein: Thomas Hengelbrock steht für 2011 als Dirigent eines neuen „Tannhäuser“ fest, den Sebastian Baumgarten inszenieren wird. Der unerbittlich lange Vorlauf des Opernbetriebs, der am Hügel mindestens bis zum neuen „Tristan“ mit Thielemann und Katharina Wagner für 2015 reicht, macht jede Nachfolgedebatte zur Theorie.

Wagners Ästhetik schöpferisch fortgesetzen

Das neue Konzept ist nur in Auszügen bekannt. Im Wortlaut nachlesen kann man das Konkurrenz-Papier, das die bereits 2001 vom Stiftungsrat zur Nachfolgerin ihres Vaters designierte Eva Wagner-Pasquier mit ihrer Cousine Nike verfasste, ehe sie Thomas Goppel zum Seitenwechsel überredete. Darin werden unter anderem Inszenierungen der Frühwerke mit kurzer Inszenierungs-Laufzeit vorgeschlagen. Inzwischen hat Eva Wagner-Pasquier ihre Meinung geändert: Sie hält nun „allenfalls die immer wieder angedachten Aufführungen des ,Rienzi’ für überlegenswert“, alles andere „nicht für zweckmäßig“.

Geopfert wurde Nike Wagners Spielwiese einer „Off-Season“ zur Weiterentwicklung des Gesamtkunstwerks und des Bayreuther Raumklangs am Pfingstwochenende. Hier sollte Wagners Ästhetik schöpferisch fortgesetzt werden und ein Forum für jüngere Leute jenseits der Wagnerorthodoxie entstehen. Im neuen, die gute alte Tradition mit Internet und Public viewing aufbrezelnden Konzept soll ein anderes Publikum allein durch zeitgemäße Vermittlungsformen angelockt werden.

„Bayreuth ist keine Ausbildungsstätte"

Das auf März 2008 datierte Papier, das Nike Wagners Handschrift trägt, plädiert für eine Erneuerung des Wagner-Gesangs, der auf ein „homogenes Klang- und Sprachbild“ einzuschwören sei. Mit dem Regietheater geht es hart ins Gericht: „Bayreuth ist keine Ausbildungsstätte für halbe Anfänger oder Hasardeure, die den Werkstatt-Begriff dazu benutzen, um ihre unfertigen Leistungen damit zu entschuldigen oder zu rechtfertigen.“ Davon ist nun nicht mehr die Rede: „Lohengrin“ wird auch den Altprovokateur Hans Neuenfels überstehen, der sich 2010 mit dem jungen Mariss-Jansons-Schüler Andris Nelsons ans Werk macht.

Eva Wagner-Pasquiers Rolle ist in beiden Papieren gleich: Sie beschränkt sich auf das „Management des Hauses und die künstlerische Umsetzung“. Nike Wagner war „die Außendarstellung der Festspiele in der Öffentlichkeit“ nebst konzeptueller Arbeit zugedacht. Im neuen Konzept tritt Katharina Wagner an ihre Stelle. So laufen Machtkämpfe nun einmal. Und Inhalte sind anscheinend sowieso schnurzegal.

Robert Braunmüller

www.3sat.de

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