Wer dem Wort nicht vertraut
MÜNCHEN - Sehnlichst von Kindern auf der ganzen Welt erwartet. Doch Ian Softleys Verfilmung von Cornelia Funkes „Tintenherz“ ist unbeherzt. Brendan Fraser gibt in dem Blockbuster den alleinerziehenden Vater.
„Ein geschriebenes Wort ist eine mächtige Sache“, behauptet Brendan Fraser als alleinerziehender Vater vor seiner Tochter (Eliza Hope Bennett). Auch Filme können starke Reaktionen hervorrufen.
Aber die Verfilmung von Cornelia Funkes „Tintenherz“ verlässt man seltsam unberührt, weil die Geschichte keinen Fluss hat und teilweise unfreiwillig wie die Parodie eines Fantasy-Filmes wirkt. Humoristischer Lichtblick, wenn auch fast eine Karikatur, ist Helen Mirren als buchnärrische, altjüngferliche, britisch-exzentrische Tante.
Die Grundidee der „Tinten“-Romane ist fantastisch: Was beim Lesen in unserem Kopf passiert, nämlich die bildhafte Vorstellung des Gelesenen, wird Wirklichkeit. Denn einige Menschen haben die Gabe, literarische Fantasiefiguren aus einem Buch in Fleisch und Blut in unsere Realität hinein zu lesen. Dafür wird umgekehrt jemand in die fiktionale Welt verbannt. So hat Meggie ihre Mutter verloren.
Regisseur Softley wählt statt lautlosen Schatten lieber donnernde Show-Spezialeffekte
Am Ende wird sie von faschistoiden Mächten gezwungen, einen bösen Geist in unsere Wirklichkeit zu lesen. Lesend durchfröstelt einen der Schauer des unheimlichen, lautlos auftauchenden Schattens. Im Film ist es ein brüllender schwarz-wolkiger Wirbelwind. Regisseur Iain Softley wählt den donnernden Show-Spezialeffekt.
Obwohl jugendlastig, haben Fantasy-Geschichten oft auch eine große erwachsene Fan-Gemeinde. Sie nicht zu unterfordern, ist die Kunst. In „Tintenherz“ ist die Metaebene die Welt des Diktators Capricorn (Andy Serkis), die durch Terror und Angst regiert, sich sadistisch amüsiert und auf Speichellecker und Sklaven-Seelen setzt.
Nicht zufällig ist Capricorns Machtgebiet im alpinen Nord-Italien angesiedelt. Es erinnert an Mussolinis dekadente Untergangs-Republik von deutschen Nazi-Gnaden am Gardasee von Herbst 1943 bis April 1945, die schon Pier Paolo Pasolini in seinen „120 Tagen von Sodom“ beschrieben hat.
Aber auch hier ist der Film einfach zu nett. Selbst 12-Jährigen (Altersfreigabe FSK 12) hätte man weniger Kitsch, größere Ruhe und Bedrohlicheres zumuten müssen. Und wo kommt – romanfremd – das familienfreundliche Happy End her?
Adrian Prechtel
Kino: Leopold, MaxX,
Mathäser, Royal, im Cinema in OF
R: Iain Softley B: David Lindsay-Abaire K: Roger Pratt (USA, 106 Minuten)
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