Wenn zwei Opas Oper machen
Markus Hinterhäuser, Salzburgs Festspielintendant für einen Sommer, mag wunderbare Konzertprogramme konzipieren. In Sachen Oper muss er noch deutlich nachlegen. Erst gab es Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten” als beinahe konzertante Aufführung, zum Ausgleich kommt nun Verdis „Macbeth” in der Felsenreitschule als pompöses Historienspektakel daher.
Peter Stein, Deutschlands bedeutendster Theaterreaktionär, hat sich mit dem wahrlich nicht unkomplizierten Dirigenten Riccardo Muti auf eine sehr rampenorientierte Deutung geeinigt. Das ist schön für die Sänger, die jeden Einsatz Mutis sehen können, was ihnen aber auch nicht immer hilft. Vor allem bei den von Thomas Lang einstudierten Chören der Wiener Staatsoper wackelt es immer wieder gewaltig. Muti selbst steuert aus dem Graben eine Mischung aus elegischem Schönklang und eher müden Phrasen bei.
Die Wiener Philharmoniker stehen dank Muti vor keinen allzu großen Aufgaben: Klangräusche wie bei Christian Thielemanns Dirigat der „Frau ohne Schatten” gibt es hier nicht, ziemlich handzahm führt Muti seine Musiker durch die Partitur. Sehr schön gelingen die zarten, zurückgenommenen Momente, etwa der Wahnsinnsmonolog von Lady Macbeth, als sie plötzlich einsieht, was sie da getan hat: ihren Gatten zu brutalen Morden animiert, um an die Macht zu gelangen. Von Verdis wütendem Furor hört man bei Muti allerdings (zu) wenig, es fehlt das Raue, Brüchige, Exaltierte.
Somit wird „Macbeth” zum gut konsumierbaren Opernabend. Das Sängerensemble fügt sich in Mutis gepflegten Wohlfühlsound ziemlich gut ein: Zeljko Lucic wuchtet die Titelpartie mit eindrucksvollem Timbre, Tatiana Serjan gibt die Lady mit wundervoller warmer Tiefe, in der Höhe bleibt sie aber blass. Überzeugend sind Giuseppe Filianoti (Macduff), Dmitry Belosselskiy (Banquo) und vor allem Antonio Poli (Malcolm). Poli ist ureigenes Salzburger „Gewächs” – er reüssierte zuletzt bei der Nachwuchsschmiede „Young Singers Project”.
Peter Steins mal dekorative, mal unfreiwillig komische Regie mag konservative Zuschauer erfreuen (diese applaudierten auch heftigst), für den Rest bleibt der Abend wohl vor allem als Kostümschinken mit Hang zum Kasperletheater in Erinnerung. Die Bühne der riesigen Felsenreitschule wurde hübsch düster bemalt und mit einem Hügel ausgestattet. Aus selbigem entsteigen anfangs drei weiß geschminkte Hexen mit hängenden Plastikbrüsten und sagen Macbeth die Zukunft voraus. Als Weihnachtsbäumchen verkleidete Soldaten schauen dem Treiben gebannt zu. Später werden sie den Übergangskönig mit Speeren töten, die wie vergrößerte Zahnstocher wirken.
Auf besonderen Wunsch Peter Steins wurde ein überdimensionaler Kupferkessel konstruiert, dem milchiges Licht, Nebel oder auch mal ein blutverschmiertes Kind entsteigen. Überhaupt haben es die Kinder dem Regisseur angetan: Während Verdis filigraner Alptraummusik gibt es ein Elfenballett und einen projizierten Sternenhimmel, die ermordeten Söhne von Macbeths Widersacher werden wie blutverschmierte Trophäen herumgereicht.
Riccardo Muti wollte unbedingt noch Verdis komplette Ballettmusik von 1865 spielen, Stein nicht. Das Ergebnis: zehn Minuten düsteres Orchesterraunen und statt einer Inszenierung die Beleuchtung der Felsenreitschule in unterschiedlichsten Farben. Kurz danach sind wir wieder mitten im History-Gewusel, das öfter in die Klamottenwelt von Monty Python abgleitet. Geister kommen aus dem Unterboden, eine Galerie der Toten ruckelt über eine wacklige Mini-Rolltreppe, dazu spielen die Wiener Philharmoniker Gruselmusik auf Zimmerlautstärke. Die teuerste Karte für das Spektakel kostet übrigens 370 Euro, alle Vorstellungen sind ausverkauft. Fröhliches Salzburg!