Wenn Fische stumm schreien

Heimat - das ist nicht das Fernsehen. Doch heute macht man es sich bei Schunkelsendungen und im Internet gemütlich, wettert der Gute-Laune-Entertainer und Kabarettist Ottfried Fischer bei seinem Comeback in der Münchner Lach & Schieß-Gesellschaft.
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Heimat - das ist nicht das Fernsehen. Doch heute macht man es sich bei Schunkelsendungen und im Internet gemütlich, wettert der Gute-Laune-Entertainer und Kabarettist Ottfried Fischer bei seinem Comeback in der Münchner Lach & Schieß-Gesellschaft.

Nach so langer Bühnenabstinenz könnte man doch zumindest ein bisserl Aufregung erwarten. Und was macht Otti Fischer? Der Mann hat die Ruhe weg: Zu Beginn seines lang erwarteten dritten Bühnensolos bleibt die Bühne erst mal ein paar Minuten leer, und das Schönste und Schlimmste, was Heimatgefühle auslösen kann, ist zu hören: ein alter Schlager.

Catarina Valente schmachtet aus den Boxen „Wo meine Sonne scheint“, so nennt Otti auch sein Programm. Sonnengelb ist denn auch seine Krawatte, als er vielumjubelt auf der Bühne der Lach- und Schießgesellschaft erscheint, nicht von Krankheit, sondern von Vorfreude gezeichnet, denn er hat schwere Geschütze im Gepäck, mit denen er das Thema Heimat an den Hörnern, besser, am Geweih packt. Der Jägermeisterhirsch auf der Krawatte – Hirsch und Alkohol! – gehört zum „Dahoam“-Gefühl dazu, genauso wie das aufmunternde „Pack’n was!“ zum einstigen Gute-Laune-Entertainer, der zum Heimatschützer mutiert ist und den Fischer verschmitzt spielt.

Die Flucht führt ins Internet

„Der Mensch ist ein Fluchttier“, meint der 54-Jährige und taucht ein in die wunderbare Welt der Menschheitsgeschichte, der Psychologie und Philosophie, um das selige Zu-Hause-Gefühl mit bestechender Logik zu sezieren. Die Flucht, das ist für den Kabarettisten das Gegenteil von Heimat, und führt den Menschen heute ins Internet, wo „Wikipedia und die starken Männer“ herrschen und man sich sein ganz eigenes Heimatmuseum inklusive Stammtisch errichten kann.

Heutzutage macht man es sich im Virtuellen gemütlich, das Fernsehen mit seinen Schunkelsendungen nimmt Otti aufs Korn, dekonstruiert die heile Volksmusikwelt blitzgescheit mittels Platons Höhlengleichnis: Der Musikantenstadl ist die Höhle, aus dem die Menschen allzu selten die Flucht gen Erkenntnis ergreifen. Da kann der Kabarettist schon verzweifeln, auch angesichts kaum zu lösender Einbürgerungstests: „Nennen Sie fünf deutsche Mittelgebirge. Harz I bis IV nicht erlaubt.“

Wird es allzu verkopft, verulkt er Derrick und lässt Fische im Aquarium des Mörders schreien. Zuletzt heftiger Applaus, und die Zuschauer, darunter Dieter Dorn und Willy Michl, wußten, wo Otti seine Heimat hat: auf der Bühne.

Michael Stadler

Bis Sa, 21. Juni, außer 12., 15. und 16., Karten unter Tel: 39 19 97

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