Wenn der Marchese die Gärtnerin liebt
Hubertussaal: Die Münchner Kammeroper zeigt Niccoló Piccinnis „La Cecchina“.
Eine Fahrt nach Nymphenburg ist wie ein kleiner Urlaub. Von der Straßenbahn geht man noch eine gute Viertelstunde am Kanal und den Bassins entlang. Und bei der späten Rückkehr im Dunkeln zirpen die Grillen in der lauen Sommernacht.
Leider haben die kunstsinnigen Wittelsbacher das Schlosstheater vergessen. Also bleibt nur der stickige Hubertussaal, dessen Fenster in der Pause zu öffnen vom Denkmalschutz offenbar strengstens verboten ward. Aber unter den Muranoglaslüstern des schlauchartigen Raums lässt sich trotzdem was machen: Ein riesenhafter Tisch quert ihn als Spielfläche, und das Blumenarrangement samt Sofa reicht, um das Landgut des Marchese di Conchiglia zu imaginieren. Und die Musik von Piccinni gewinnt durch Alexander Krampes Arrangement für Salonorchester mit Akkordeon an Charme.
Den perfekten Sommer-Ausflug könnte nur die Inszenierung von Dominik Wilgenbus trüben. Sie ist Geschmackssache wie seine Übersetzung. Wer lustig findet, wenn sich „Spaß“ und „Rabenaas“ ebenso reimt wie „weggelaufen“ auf „Komposthaufen“, kommt voll auf seine Kosten. In der Premiere wurde schallend gelacht und die Aufführung stürmisch gefeiert.
Viel Klamauk, wenig Psychologie
Aber, halten zu Gnaden, das ist ein Missverständnis. „La Cecchina“, geläufig auch als „La buona figliola“, handelt von der Liebe eines Marchese zu einer Gärtnerin, die über abgefeimte Intrigen und Mordversuche triumphiert. Komisch im engeren Sinn ist nur der Soldat Eisenfraß, alle anderen Figuren nimmt Piccinnis Musik so ernst wie Mozart. „La Cecchina“ gehört nur der Gattung nach zur Opera buffa, wozu das weitherzige 18. Jahrhundert auch rührende Geschichten wie diese zählte.
Drei Stunden lang verwechselt Wilgenbus Affekte mit klamaukiger Affektiertheit. Außer Cecchina wackeln alle die Hüften und rollen mit den Augen. Wenigstens der Marchese sollte eine ernstzunehmende Figur sein. Aber dieser Bücherwurm spreizt seine weißgeschminkten Finger wie die anderen dämlichen Aristokraten, und es bleibt eine Behauptung, dass er die Gärtnerin liebt. Der Regisseur hat keinen Blick für die Empfindsamkeit des Stoffs. Warum gräbt er den aber aus, wenn er die Handlung albern findet?
Manch saurer Ton kitzelt bisweilen das Ohr des nah sitzenden Zuschauers. Aber die jungen Sänger um die bezaubernde Katja Stuber (Cecchina) und die grundsoliden Tenöre Jacques LeRoux (Armidoro) und Michael Müller (Marchese) verleihen auch den Rezitativen zuviel musikalisches Schwergewicht. Dadurch leidet die Wortverständlichkeit dieses Klamauks. Schade. Und noch mehr schade ist, dass „La Cecchina“ nicht im Cuvilliés-Theater aufgeführt wird, wo sie eigentlich hingehört.
Robert Braunmüller
Bis 11. 9. im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. Karten am AZ-Schalter.