Wenn das Opernhaus zum Kino wird

Jiri Kylians Choreografie "Zugvögel" eröffnet die Ballettfestwoche im Nationaltheater
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Jiri Kylians Choreografie "Zugvögel" eröffnet die Ballettfestwoche im Nationaltheater

Das Buh für den Meister war ungewöhnlich. Der allseits gehätschelte böhmische Star-Choreograf nahm es gelassen, reagierte eher belustigt als betroffen. Tanz-Freaks, zumal in München, sind es gewohnt, plausible und leicht nachvollziehbare Geschichten vorgesetzt zu bekommen.

Was aber macht Jiri Kylian? Sein neuestes Werk "Zugvögel" ist eine sehr persönliche, manchmal aber auch sehr private Performance aus Tanz, Musik, Film und japanischer Kostüm- und Objektkunst. Bevor es so richtig losgeht, dürfen die Besucher den Bauch des Nationaltheaters entdecken. In kleinen Gruppen werden sie durch den Heizungskeller auf die Bühne geführt. In der Tiefe lauern gefiederte Zauberwesen, dazu hört man Windgeräusche, plätscherndes Wasser und Vogelrufe: Karine Guizzo, die Herrin der Unterwelt, hat sich einiges einfallen lassen. Das eigentliche Tanzstück schliesst sich an. Kylian hat es seiner Frau Sabine Kupferberg gewidmet. Sie ist in den zugespielten Filmsequenzen zu sehen, die ansonsten ein aufklappbares Mini-Modell des Nationaltheaters in den Dünen der Nordsee zeigen und sich mit dem Älterwerden beschäftigen.

Die Oper brennt

Am Ende ist das Miniatur-Opernhaus als Realität auf der Bühne zu sehen. Doch die Freude darüber währt nur kurz. Plötzlich macht es "puff". Die Oper brennt. Aber Tränen sind unnötig. Denn zuvor hatte Kylian den an diesem Abend unwiderstehlichen Tänzern des Staatsballetts zu Ravels "La Valse" einen Strauss hinreissender Bewegungen geschenkt. Davon lässt sich lange schwärmen.

Wenn nicht gerade Kino angesagt ist, erzählen die melancholischen Tanzmomente der "Zugvögel" von der Wehmut, nicht mehr jung sein zu dürfen. Ein älteres Paar (Caroline Geiger, Peter Jolesch) tapst liebenswert unbeholfen durch eine Welt, die sich unter den Händen des wunderbaren japanischen Designers Yoshiki Hishinuma in eine Zauberkiste verwandelt hat.

Riesige Mäntel blähen sich zu Skulpturen. High-Tech-Stoffe wie Polyester, Acryl und Nylon verbinden sich mit den raffinierten Tanz-Ritualen. Man muss das Stück mehrfach sehen, um dessen genialische Ideen so richtig geniessen zu können. Eine Liebe auf den zweiten Blick.

Volker Boser

Wieder am 29. und 30.5. sowie im Juni im Nationaltheater. Karten: Tel. 2185 1920

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