Wenn auf verbrannter Erde neues Leben blüht

Wenn Dieter Dorn am Ende der Spielzeit das Staatsschauspiel verlässt, zerfällt das „Käthchen”-Ensemble. Und was kommt dann?
von  Robert Braunmüller

Ein Gespenst geht um in München. Es ist das Gespenst der Ensemble-Vernichtung. Martin Kušej, der Nachfolger von Dieter Dorn am Bayerischen Staatsschauspiel, soll bis auf drei Unkündbare alle Schauspieler seines Vorgängers entlassen haben.

Sicher ist, dass die umjubelte Besetzung des „Käthchens von Heilbronn“ am Ende der Spielzeit in alle Winde verstreut wird: Felix Rech, der Friedrich Wetter vom Strahl, ist bereits in Bochum engagiert, sein Käthchen Lucy Wirth verhandelt mit dem Theater Augsburg.

Der Rest ist allerdings wohl – wie bei allen Gerüchten – stark übertrieben: „Ein Viertel der  aktuellen Schauspieler bleibt“, erklärt Kušej dazu und bezeichnet das  bisherige Ensemble als „ohne Zweifel eines der besten in Deutschland“. Ein weiteres Viertel seiner Mitglieder allerdings habe die Pensionsgrenze erreicht. „Mit diesen Mitgliedern bin ich aber im Gespräch, denn sie sollen weiterhin auf der Bühne stehen.“

Beim  Theaterforum der Stadtbibliothek hat Kušej vorige Woche erklärt, dass er gern mit Cornelia Froboess zusammenarbeiten möchte. Beginnen wird er im Herbst mit Schnitzlers „Das weite Land“ in eigener Inszenierung. Im Übrigen vollziehe sich der Wechsel in Harmonie. Mehr ist ihm  nicht zu entlocken: Intendanten hüten Besetzungen und Stücke bis zur  Bekanntgabe des Spielplans wie Pfarrer das Beichtgeheimnis.

Theater lebt vom Wechsel

Schauspielerei ist eine sehr persönliche Arbeit, bei der das Innerste entblößt wird. Nicht jeder kann mit jedem. „Dass bei einem Intendantenwechsel auch ein Teil des Ensembles mit neuen Schauspielern besetzt wird, ist ein völlig normaler Vorgang“, erklärt Kušej. „Das hat seinerzeit, als die Intendanz von Dieter Dorn am Residenz Theater begann, ganz genauso stattgefunden.“

Menschlich ist dergleichen nie angenehm. Der Wechsel gehört aber zu den Grundvereinbarungen des Theaters. Drehungen des Intendantenkarussells setzen Fliehkräfte frei, die durch den „Normalvertrag Bühne“ kaum geregelt werden: Zum 15. Oktober eines jeden Jahres kann ein Intendant seinen Schauspielern, Tänzern, Dramaturgen und einem Teil der Bühnentechnik mitteilen, dass er sie in der folgenden Saison nicht weiter beschäftigen will.

Wer unter Kušej nicht mehr auf der Bühne steht, weiß dies bereits. Im Übrigen steht der Intendantenwechsel seit 2007 fest. Für jeden Beobachter war klar, dass die politisch Verantwortlichen eine Zäsur wollten: „Das Kunstministerium hat mich mit dem Auftrag einer möglichst nachhaltigen Neugestaltung des Bayerischen Staatsschauspiels als neuen Intendanten bestellt“, sagt Kušej. „Diese Aufgabe versuche ich mit Engagement und Neugier für die Belange der Erneuerung, aber auch mit Respekt und Bedacht für das Bestehende zu erfüllen.“

Kušej hat als Regisseur am Burgtheater und in Hamburg aufregende Schauspieler um sich geschart. Warum sollte ihm das nicht wieder gelingen? Er gibt sich optimistisch: „Ich denke, dass sich das Publikum auf ein  hochmotiviertes Ensemble freuen kann, das sich aus bewährten und bekannten Kräften genauso zusammensetzt, wie aus neuen, hungrigen jungen Schauspielern und solchen, die woanders etabliert sind und bei diesem spannenden Neubeginn dabei sein wollen.“

Kušej gibt seine Pläne im März bekannt. Wir wetten, dass zu seinem weiteren Ensemble auch die Salzburger „Jedermann“-Buhlschaft Birgit Minichmayr zählt. Als der Regisseur 2009 in Zürich „Das Interview“ nach Theo van Gogh herausbrachte, nannte die „Neue Zürcher Zeitung“ die Schauspielerin „eine Wucht“ und verriet, das Zweipersonenstück sei zur Übernahme nach München bestimmt. Seien wir also neugierig auf das Kommende.

Robert Braunmüller

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