Weniger ist nicht mehr
Weglassen ist auch eine Kunst: Richard Wagners „Lohengrin“, in Stuttgart uninszeniert von Stanislas Nordey
Es ist schon seltsam, wegen was sich Theaterleute in die Haare geraten. Eine dirigentenfreundlichere Inszenierung als diese scheint kaum vorstellbar. Trotzden krachte Stuttgarts Generalmusikdirektor Manfred Honeck mit dem Regisseur zusammen, worauf dieser seinen Namen zurückzog. Es soll um Kleinkram gegangen sein, meldete die Fama.
Der Chor prangt in vier Reihen auf einem schwarzen Gerüst. Im ersten Akt sind nur die weißen Köpfe zu sehen, im zweiten Büsten und im dritten antikische Togen und Muskel-Panzer, ehe die Herrschaften hinablatschen. Zur Gralserzählung bilden sie den bewährten Halbkreis der guten alten Opernzeit um die Sänger. Davor bekam der für seine Darstellungskunst gerühmte Stuttgarter Gesangverein nicht einmal die wenigen Handbewegungen im Stil eines nordkoreanischen Parteitags halbwegs koordiniert hin.
Der Held aus dem Büro, geplagt von Loriots Nudel
Als Substanz von Stanislas Nordeys Zen-Meditation verblieben nur „Lohengrin“-Klischees: Elsa erschien als blondes Dummchen, Ortrud war eine Gothic-Hexe und Scott MacAllister gemahnte im weißen Trenchcoat wie alle amerikanischen Lohengrine an einen Verwaltungsbeamten.
Im ersten Akt regnete es weiße Blätter, von denen eines auf der Stirn des Schwanenritters klebte wie Loriots berühmte Nudel. Elsas „Nie, Herr, soll mir die Frage kommen“ erschien als Leuchtschrift, vermehrte sich und wurde nach der weiblichen Zuwiderhandlung in Großschrift heruntergerissen: Noch weniger wäre konzertant gewesen.
Sehr laut
Also hörte man genauer hin. Zwar wirkt das Stuttgarter Staatsorchester unter Manfred Honeck neu erblüht. Aber schon im Vorspiel wurde das Geflecht der Nebenstimmen gegenüber der Melodie arg vernachlässigt. Dann folgte großes Geschmetter, dass einem die Ohren klingelten. Es dröhnte so subtil wie ein „Troubadour“ in der Arena di Verona mit weiland Mario del Monaco. Weil mächtig auf die Pauke gedroschen und mit der Tuba geröhrt ward, kannte die Begeisterung keine Grenzen.
Viel Jubel gab es auch für die unerschöpfliche Kraft und Wortverständlichkeit von Wolfgang Kochs Telramund. Er erfreut im Juni des Münchners Ohr. Der kurzfristig auf Wunsch Honecks eingewechselte Scott MacAllister konnte sein Metall leider nicht immer zum Schmelzen bringen. Die Gralserzählung litt an Nervosität und dem flachen Piano, dem Abschied tat des Kapellmeisters Eile nicht wohl.
„Lohengrin“ hat Konjunktur. Am Sonntag folgt Stefan Herheims Inszenierung in Berlin. Frankfurt und München folgen, Bayreuth zieht 2010 mit Hans Neuenfels nach. Was Nordey wegließ, wird noch reichlich über uns gekippt werden. Mag sein, dass die Erinnerung diesen Abend dann verklärt.
Robert Braunmüller
Staatsoper Stuttgart, wieder am 2., 8., 13., 19., 25. 4. und 3. 5., Karten Tel. 0711 20 20 90
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