Weniger aufgeblasen
Bayreuth: Wiedersehen mit Katharina Wagners „Meistersingern“
Im finalen Happening zeigt Beckmesser nun nicht mehr sein Gemächt. Auch die sein verdrehtes Preislieds frei variierende Sexpuppe mit Luftballons hat Katharina Wagner bei der Wiederaufnahme gestrichen. Dafür wundert sich der Merker nun über die Nazikunst und Hans Sachsens dämonische Beleuchtung während der Schlussansprache, ehe er mit Grausen davonläuft. Das ist ein freundliches Angebot an den Zuschauer zur Identifikation, aber die alte Lösung war stärker.
Heftige Buhs nach dem Schlussakkord wurden rasch überstimmt. Beim zweiten Sehen wirkt die gegenläufige Wandlung des Hochschulfunktionärs Beckmesser zum Performer und des Spät-68ers Sachs in einen Reaktionär überzeugender. Die Inszenierung bleibt hier frappierend nahe am Text, was mangels seiner Verständlichkeit leider nur schlecht herauskommt.
„Meistersinger“-Streit perfekt übersetzt
Die von der Wagner-Urenkelin vorgenommene Übersetzung des „Meistersinger“-Streits über den richtigen Gesang in eine Debatte über Bildende Kunst geht perfekt auf. Wenn beim „Wach auf“-Chor ein Regieteam verbrannt wird. stellt die Inszenierung einen polemischen Zusammenhang zwischen der Nazi-Ästhetik und der Forderung nach Werktreue her, die bei Walters Preislied verspottet wird.
Katharina Wagner hat ihre Sicht schlüssig aus den Figuren entwickelt und mit den Eigenheiten ihrer Sänger verknüpft: Das lässt die Schwächen von Stefan Herheims „Parsifal“-Marionettentheater noch deutlicher hervortreten und macht neugierig auf den für 2015 geplanten „Tristan“ mit Thielemann.
Mehr gekrächzt als gesungen
Franz Hawlata hat zwar den kernigen Bass für den Sachs und überzeugt als Typ, aber er interpretiert die Monologe zu pauschal. Die Schlussansprache war mehr gekrächzt als gesungen. Seltsam, dass die Festspiele keinen besseren Bass als Artur Korn für den Pogner auftreiben. Michaela Kaunes frauliche Eva ist ein Gewinn. Held des Publikums war Klaus Florian Vogts silbern strahlender Stolzing.
Das Orchester unter Sebastian Weigle beschränkte sich diesmal nicht nur auf Hintergrundmusik: Der leichte, komödiantische Zugriff passt gut zur verspielten Inszenierung. Im dritten Akt aber fehlt dem Dirigenten das der Inszenierung gemäße Gewicht. Weigle bekam Buhs, von denen auch Hawlata nicht verschont blieb. Er antwortete mit einer Geste: Es ist, wie es ist.
Robert Braunmüller
Eine DVD der Aufführung erscheint im November