Welterfolg – in Bayern
Das Phänomen rein regionaler Kinohits: „Brandner Kaspar“ oder „Räuber Kneißl“ haben das Zeug zu bayerischen Blockbustern
Provinz-Blockbuster klingt komisch. Denn der Amerikanismus für „Minenbombe“, der Kassenschlager meint, verheißt Großstadt, Hollywood, globale Filmindustrie, nicht Dorf oder Kleinstadt – wie zum Beispiel Prien. Aber dieser Ort am Chiemsee erlebte 2006 ein Kinowunder auf seinen zwei Leinwänden mit 175 Plätzen.
Nach 118 Wochen Laufzeit wertete der Münchner Verleih Movienet die Kinoergebnisse für „Wer früher stirbt, ist länger tot“ aus. Im Priener Kino hatten mehr Leute Rosenmüllers Film gesehen als Prien Einwohner hat, nämlich 10000. Ohnehin waren – für einen kleinen Film – die 1,8 Millionen Zuschauer bundesweit eine Sensation, mit dem witzigen Aspekt: 90 Prozent waren Bayern. Die restlichen 200000 im Gesamtbundesgebiet werden wohl Exilbayern in Hamburg, Bremen oder Berlin gewesen sein.
Der Siegeszug endet in Franken
Jetzt erlebt der „Brandner Kaspar“ einen ähnlichen Triumphzug – durch Bayern. Wer aber glaubt, die Franken verweigerten sich der altbayerischen Alpensaga in der Vilsmaier-Version, irrt: Eckental ist ein Marktflecken zwischen Nürnberg, Erlangen und Lauf in Mittelfranken. Seit 50 Jahren gibt es die Casino Lichtspiele in Eckental. Vor elf Jahren hat Antje Bezold das Kino mit 210 Plätzen von den Eltern übernommen. Den „Brandner“ spielt sie, weil er ein „deutscher Film war, der mir bei der Kinobetreiber-Vorführung in Köln auf Anhieb gefallen hat“. Und weil es Frau Bezold ärgert, dass US-Filme mit einem Riesen-Werbebudget hochgejubelt werden, legt sie sich für ihre Filmlieblinge ins Zeug. Ein Heuwagen ziert das Kinofoyer, dazu gibt es eine Sense, und ein Baumstumpf ist aufgestellt zum Wettnageln.
Den Kinotraum erlebten die Casino Lichtspiele aber 2007 mit Erwin Pelzigs melancholischer Satire „Vorne ist verdammt weit weg“. Von 250000 Besuchern kamen 95 Prozent aus Bayern, Franken wurde vom Verleih NFP nicht extra ausgewiesen. Aber der Löwenanteil werden Neubayern gewesen sein. In Eckental mussten Leute häufig wieder nach Hause geschickt werden, so voll war das Kino oft.
In Berlin nix los
Jetzt ist der Brandner dran, der schon 790000 Zuschauer hat und im Münchner Mathäser an einem Wochenende bis zu 6000 Zuschauer anzieht. 700 Berliner sahen ihn bisher am Potsdamer Platz, nur 15 Kopien schickte man über die Grenzen Bayerns hinaus. „Man kann den Film nicht unvorbereitet auf alle loslassen“, so Markus Zimmer vom Concorde Filmverleih in München. „Wir setzen auf Mundpropaganda, warten ab, bis in der überregionalen Presse das Phänomen ,Brandner Kaspar’ aufgegriffen wird und schieben Kopien nach – bis ins neue Jahr hinein. Die Millionengrenze wollen wir knacken!“
Gibt es im Norden nicht Verständnisprobleme mit dem Dialekt? „Das kann ja auch gerade der Reiz, das Exotische an einem Film sein“, meint Lutz Prauser. Oder, wie Antje Bezold aus Eckental sagt: „Wir Franken verstehen die Bayern. Schon weil wir ja seit 200 Jahren von München aus regiert werden.“
Schwierig wird es bei Lokal-Mythen wie dem „Räuber Kneißl“. 230000 Zuschauer haben ihn bisher gesehen, nur 5000 außerhalb Altbayern, Schwaben schon ausgenommen. Aber es gibt auch andere Traditionsregionen mit eigenen Blockbustern. 1999 räumte „Bang Boom Bang“ im Ruhrgebiet ab. Drehorte von Peter Thorwarths Film mit Oliver Korittke waren Dortmund und Unna in Westfalen. Eine halbe Million Zuschauer erreichte er – überwiegend in NRW, auch wenn der Film sogar den VGF Award beim Bayerischen Filmpreis gewann. Und was hat die Küste zu bieten? Die drei „Werner“-Filme. Zur Zeit wird der hanseatische Freibeuterfilm „Störtebeker“ gedreht. Er könnte ein Provinz-Blockbuster für Nordlichter werden, wie Rosenmüllers „Räuber Kneißl“ bei uns in Bayern.
Adrian Prechtel