Was wird aus der Münchner Stadtbibliothek?

Was die vom Stadtrat beschlossene Gasteig-Sanierung für die Zukunft der Stadtbibliothek bedeutet
Robert Braunmüller |
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Ein mögliches Vorbild: Die neue Stuttgarter Stadtbibliothek.
dpa 3 Ein mögliches Vorbild: Die neue Stuttgarter Stadtbibliothek.
Arne Ackermann leitet seit 2013 die Münchner Stadtbibliothek.
Münchner Stadtbibliothek 3 Arne Ackermann leitet seit 2013 die Münchner Stadtbibliothek.
Arne Ackermann leitet seit 2013 die Münchner Stadtbibliothek.
Münchner Stadtbibliothek 3 Arne Ackermann leitet seit 2013 die Münchner Stadtbibliothek.

Am Mittwoch gab der Stadtrat den Startschuss für die Sanierung des Gasteig. Nun beginnt die Planung. Die Philharmonie könnte, wenn sich nichts besseres findet, nach Riem ausweichen. Aber wohin mit einer Million Büchern und anderen Medien? Auch die Stadtbibliothek am Gasteig muss sich für die Zeit der Gasteig-Sanierung ein Ausweichquartier suchen.

AZ: Herr Ackermann, wohin mit den Büchern? Und wohin mit den Menschen, die in der Bibliothek Bücher lesen?
ARNE ACKERMANN: Wir gehen davon aus, dass wir verschiedene Interimsstandorte haben werden. Die Anforderungen an einen Ausweichstandort der Stadtbibliothek sind aber nicht trivial. Wir suchen eine gute Lage, am besten innerhalb des Mittleren Rings, besser noch nahe am Altstadtring, was mir angesichts der angespannten Situation am Immobilienmarkt aber utopisch scheint.

Was ist außer der zentralen Lage und guter Erreichbarkeit wichtig?
Die Philharmoniker brauchen für ihren Konzertsaal eine Eins-zu-eins-Lösung. Wir können bestimmte Abstriche machen. Wenn es gut läuft, bekommen wir etwa 5000 Quadratmeter in guter Lage. Wir haben hier im Gasteig die Zentralbibliothek, die Kinder- und Jugendbibliothek und die Musikbibliothek. Man könnte das notfalls auch auf zwei Standorte verteilen. Die Verwaltung, die Buchbearbeitung, die Fahrbibliotheken und das Magazin könnten auch dezentral untergebracht sein, hier können wir uns ein modulares Konzept vorstellen.

Welche Voraussetzungen muss der Raum für die Bibliothek sonst haben?
Eine höhere Deckentraglast. Bücher sind schwer, und eine Bibliothek ist kein Büro. Wir hätten immer auch gerne – wie bei den Stadtteilbibliotheken – aus Gründen der Sichtbarkeit und der Barrierefreiheit einen ebenerdigen Zugang. Die Ansprüche für die Bibliothek selbst sind deutlich höher als bei den Büro- oder Magazinflächen.

Aber im Gasteig sind nicht nur Bücher.
Er ist unser auch unser Logistik-Zentrum. Nur 120 der 270 Mitarbeiter arbeiten für den eigentlichen Bibliotheksbetrieb. Hier werden die Bücher für das ganze städtische Bibliothekssystem erworben und erschlossen, hier parken unsere Bücherbusse, die Medienmobile unserer Sozialen Bibliotheksdienste und die Lieferwagen für den Transport der Medien zwischen den Stadtteilbibliotheken.

Wie wird die neue Stadtbibliothek im Gasteig aussehen?
Zuerst: Die Bibliothek ist ein Teil der Erfolgsgeschichte des Gasteig. Aber allein die Kinderbibliothek bräuchte etwa dreimal so viele Flächen, wie sie jetzt hat. Jeder dritte Besucher ist ein Kind. Die Regale sind zu hoch, die Aufenthaltsqualität ist gering. Das können wir besser. Es gibt zu wenig Gruppen-Arbeitsräume für Workshops, die wir selbst oder mit Partnern ausrichten, und zu wenig Arbeitsplätze.

Sie brauchen also mehr Raum.
Für unser Publikum ja. Aber all das lässt sich verwirklichen, indem man die vorhandenen Flächen neu verteilt und damit 30 Prozent mehr öffentliche Flächen gewinnt. Das gelingt uns durch eine Verdichtung des Magazins und die saubere Trennung von internen und öffentlichen Flächen. Beim Bau des Gasteig wurde das Bibliothekspersonal vom Architekten schlicht vergessen. Hochwertige Flächen, die ursprünglich als öffentliche Flächen konzipiert waren, mussten damals zu internen Flächen umgewandelt werden.

Erwarten Sie mehr Besucher?
Die Erfahrung zeigt: Eine stark modernisierte oder neu gebaute Bibliothek hat einen Zuwachs von 30 bis 50 Prozent. Wir wollen künftig so lange offen haben wie der Gasteig – von acht bis 23 Uhr. Dafür werden wir die Bibliotheksöffnungszeiten und Service-Zeiten trennen. Es wird deutlich mehr Arbeitsplätze für Besucher geben. Wenn die Hälfte der Fläche mit Medien bestückt sein würde, wäre das viel.

Was ist das Wichtigste bei einem Umbau?
Was für die Philharmoniker die Akustik ist, ist für unsere Bibliothek das Innendesign und die Innenarchitektur. Dafür brauchen wir den Besten der Besten – keinen Generalarchitekten, sondern einen einschlägig ausgewiesenen Spezialisten.

Was macht eine moderne Bibliothek aus?
Sie ist ein öffentlicher, kommerzfreier Raum. Eine Bibliothek steht für gesellschaftliche Teilhabe, demokratische Selbstverständigung und den ungehinderten Zugang zu Information. Hier kann ich mich hinsetzen, ohne eine Latte macchiato für 5 Euro konsumieren zu müssen. Das Internet bietet viel, aber nicht alles. Je nach Rechercheinteresse bekomme ich bestimmte Informationen aus Datenbanken nur über lizenzierte Zugänge in einer Bibliothek.

Eine moderne Bibliotkek ist auch ein sozialer Ort.
Ja, hier trifft sich die Stadtgesellschaft in einer Vielfalt wie kaum anderswo. Aber auch 2025 wird die Stadtbibliothek immer noch ein Haus der Bücher sein. Das Buch bleibt das gesellschaftliche Leitmedium – trotz aller Entwicklungen. Wir sind aber auch ein Haus des Lernens, der Begegnung und der Vermittlung. Bei aller Lebendigkeit in der Bibliothek wird es hier auch ruhigere Zonen zum Arbeiten geben.

Was ist Ihre nächste Aufgabe nach dem Stadtratsbeschluss?
Das Raumprogramm liegt vor. Die Gasteig GmbH wird sich nun mit der Architektenfindung beschäftigen. Wir werden mit den anderen Gasteig-Institutitonen weiter über die gemeinsame Kulturvermittlung nachdenken und die Interimssuche intensivieren. Dafür ist bei uns mehr Zeit als bei der Philharmonie. Ich rechne damit, dass uns diese Frage aber auch 2018 und 2019 noch beschäftigen wird. Und nach dem Umbau werden Sie die neu gestaltete Bibliothek im positiven Sinn nicht mehr wiedererkennen.  


Wenn sie nur mehr miteinander reden würden!

Der Gasteig gilt mit jährlich 1,8 Millionen Besuchern als größtes und erfolgreichstes Kulturzentrum Europas. Neben der Stadtbibliothek und den Münchner Philharmonikern nutzen den Bau auch die Volkshochschule und die Hochschule für Musik und Theater.

Es könnte bis zu 450 Millionen Euro kosten, den 1985 eröffneten und technisch in die Jahre gekommenen Klinkerklotz auf den neuesten Stand zu bringen.

Rund 3500 Besucher kommen täglich in die Bibliothek. Sie ist der am stärksten frequentierte Teil des Gebäudes. – die Philharmonie fasst 2400 Zuhörer. Ihre umstrittene Akustik steht im Zentrum der öffentlichen Debatte: Sie soll optimiert werden. Unabhängig von dieser städtischen Baumaßnahme baut der Freistaat im Werksviertel einen neuen Konzertsaal. Dafür läuft derzeit ein Architektenwettbewerb.

Die beiden Baumaßnahmen sind nicht wirklich aufeinander abgestimmt. Der neue Saal hinter dem Ostbahnhof wird wohl nicht rechtzeitig fertig, um als Ausweichquartier dienen zu können. Laut Gasteig-Chef Max Wagner ist die Sanierung so dringlich, dass nicht gewartet werden kann. Die Rivalität zwischen Staat und Stadt ist in München ein altes, offenbar selbst für harte Pragmatiker unlösbares Problem.

Der Stadtrat hat eine verstärkte Zusammenarbeit aller Institutionen im Gasteig angemahnt. Außerdem soll die gemeinsame Bildungsarbeit verstärkt werden.

 

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