Was Geld mit Liebe tut
Der Filmemacher über „Jerichow“, den ersten Teil seiner neuen Trilogie, unerfüllte Sehnsüchte und Einsamkeit in einer unbehausten Gesellschaft
Nach seiner GespensterTrilogie beginnt Christian Petzold nun eine neue Trilogie über Liebe in untergehenden Gesellschaftssystemen. Im ersten Teil, „Jerichow" (ab Donnerstag im Kino), erzählt er eine Mord-aus-Leidenschaft-Geschichte der alles zerstörenden Beziehung von Liebe und Geld. Zwei Männer und eine Frau (Nina Hoss, Benno Führmann, Hilmi Sözer) in der Ödnis der Prignitz im Osten Deutschlands – da ist der Konflikt über unerfüllte Sehnsucht und Hunger nach Leben vorprogrammiert. Der 48-jährige Wahl-Berliner Petzold wurde bekannt mit Filmen wie „Die innere Sicherheit“, „Gespenster“ und „Yella“.
AZ: Herr Petzold, warum ausgerechnet das Jerichower Land als Schauplatz?
CHRISTIAN PETZOLD: Bei den Dreharbeiten zu „Yella" entdeckte ich die Stadt Jerichow mit ihrem einsamen Leben. Das wirkte alles so amerikanisch auf mich, die Tankstellen, die Überlandstraßen. Wie im Western eröffnete sich der Blick auf ein gelobtes Land, nur dass an der Prignitz alles vorbei ist, eine sterbende Gegend ohne Produktion und Arbeit. Da gibt es keinen Moses, der seine Schäfchen ins Paradies führt. Die Leute sind keine Pioniere, sondern eher übrig geblieben. Die drei Protagonisten zwischen 30 und 45 Jahren tun so, als wären sie Jugendliche, drehen sich im Kreis, verlieren sich in Wünschen und Sehnsüchten.
Laura sagt in einer Szene: „Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat." Eine harte Aussage.
Money makes the world go round! Wir haben uns beim ersten Rohschnitt am Schneidetisch gewundert, dass fast jede Szene von Geld handelt oder das Geld irgendwie sichtbar auf dem Tisch liegt in seiner Funktion als Tauschwert oder Betrug, ein Schmiermittel für den Film und für die Geschichte. Die Menschen glauben hier nur noch an die Kombination von Geld und Liebe, das mündet zwangsläufig in die Katastrophe, zumal wenn es dann noch um zwei Männer und eine Frau geht. Irgendwann ist die Liebe als emotionale Währung weg, es bleibt nur die harte Währung Geld.
Ihre Filmfiguren sind zumeist Verlierer und Einsame.
Wir bewegen uns doch alle mal auf dünnem Eis. Die Welt besteht eben nicht aus Siegern und ist nicht pastellrosa. Es gibt viele Grauzonen, die wir nicht sehen wollen.
Sie haben mal gesagt, Filmemachen heißt Fragen stellen. Welche sind es in „Jerichow"?
Wenn wir uns auf einer Party treffen, fragen wir das Gegenüber: Was machst du? Was geht da in jemandem vor, der keine Arbeit hat, sich überflüssig fühlt? Was passiert in einer solchen Situation zwischen den Menschen in ihren Verhältnissen, was passiert einer Gesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, wie wird da gelebt und geliebt, was gelten da noch Werte wie Loyalität und Freundschaft, was sind noch die großen Tugenden? Darum kreist der Film.
Es geht auch um „Heimat-Building", wie Sie es einmal formulierten. Was meinen Sie damit?
Den Begriff Heimat bringt man oft mit Butzenscheibchen und umzäunten Kleingärten in Verbindung. Das Wort Building hat etwas Weitläufigeres. Es geht in „Jerichow" um Rückkehrer: Ein Ex-Soldat und früherer Türsteher aus Berlin will das Haus seiner Muter wieder aufbauen. Ein türkischer Unternehmer, der an die 45 Snackbars besitzt, schöpft viel Geld ab, hat sich ein Haus gebaut. Und eine attraktive Frau hat sich verkauft. Die drei stoßen aufeinander. Männer sind hier die Heimat-Builder. Wenn die sich ein Haus kaufen oder renovieren, wollen sie Sicherheit haben, eine Erdung. Und die Frau weiß, wenn Männer Häuser bauen, sind das Gefängnisse für Frauen. Das sollte ihnen eine Warnung sein.
Nina Hoss spielt in vielen Ihrer Filme. Ihre Muse?
Nina Hoss war gar nicht vorgesehen für „Jerichow". Nach den Hofer Filmtagen fuhren wir gemeinsam nach Berlin zurück und ich erzählte ihr die Geschichte. Plötzlich merkte ich, dass ich die Figur für sie geschrieben hatte und fragte sie am Ende unserer Fahrt, ob sie nicht die Laura spielen möchte. Nina überrascht mich jedes Mal. Auch im zweiten Teil meiner Trilogie über Liebe in untergehenden Gesellschaftssystemen spielt sie wieder die Hauptrolle. Irgendwie scheine ich nicht von ihr loszukommen.
Margret Köhler
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