Wartet die wahre Wirklichkeit im Wald?
Wahrscheinlich muss man unauffällig sein, um dem Außergewöhnlichen besonders nahe zu kommen. Und auf natürliche Weise zurückhaltend, wie es eigentlich nur Menschen sein können, die in eher dezent besiedelten Ländern leben. Nordlichter halt, wie Veli Granö, der selbst in der eigenen Ausstellung Gefahr läuft, unterzugehen. Auch im Stadtmuseum steht er bei der Vorstellung seiner Videoarbeit „Profeetta” lieber beobachtend am Rand, als selbst ins Visier der urbanen Kunstvoyeure zu geraten.
Aber vielleicht ist das ja sein unbewusster Trick. Dem finnischen Künstler öffnen sich die kuriosesten Wesen – vom Schamanen bis zum Eremiten. Und sogar eine Mutter, die den Tod ihres Kindes damit erklärt, dass es Außerirdische vom Stern Sirus C entführt hätten. Granö, dessen Name jede Knäckebrotpackung zieren könnte, hat ein Faible für Sonderlinge. Für Eigenbrötler, Außenseiter und komische Käuze, die kaum einer ernst nimmt.
Irrlichternd kühle Poesie
„Profeetta”, der Prophet, entsteht weit droben in den finnischen Wäldern. Granö folgt einem Einsiedler in die völlige Abgeschiedenheit und lässt ihn erzählen. Markku Mäkinen, so heißt dieser Zivilisationsflüchtling mit dem langen Bart, sieht Elfen und Feen – seit in seinem Haus der Blitz eingeschlagen hat. Damals war er noch ein Kind, irgendwann ist er diesen Naturgeistern in den Wald gefolgt, um dort seine Heimat zu finden und ein ganz und gar einfaches Leben zu führen, bestimmt von übersinnlichen Wesen.
Granö taucht das in stille, einfühlsame Bilder voll irrlichternd kühler Poesie, die auch seine Fotografien kennzeichnet. Ihm geht es nicht um das Zurschaustellen von Abwegigkeiten und pathologischen Befunden. Völlig unvoreingenommen nähert sich der 51-Jährige seinen Protagonisten, ihn interessiert diese andere Wirklichkeit, die genauso wahr sein könnte wie die verabredete. Und es ist die Unabhängigkeit, die am Propheten so fasziniert, auch der Mut, das Irrationale zuzulassen. – Wer solchen Helden begegnen will, muss sich selbst völlig zurücknehmen.
Bis 20. Mai 2012 im Münchner Stadtmuseum, Jakobsplatz 1, Di bis So 10 bis 18 Uhr