Warten auf die Frühlingssonne

Immer mehr Menschen infizieren sich, der Kulturbereich debattiert lieber munter weiter über Lockerungen.
von  Robert Braunmüller
So könnte es vielleicht gehen: Tagsüber bemüht man sich um einen Test, abends geht man ins Theater - wie hier bei einem Pilotversuch der Hauptstadttheater am Berliner Ensemble.
So könnte es vielleicht gehen: Tagsüber bemüht man sich um einen Test, abends geht man ins Theater - wie hier bei einem Pilotversuch der Hauptstadttheater am Berliner Ensemble. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

München - Die Inzidenz der Genervtheit über Corona-Maßnahmen wird nicht gemessen, die Zahl der Neuinfektionen hingegen schon. Am Donnerstag stieg die Corona-Inzidenz in München um weitere knapp zwei Prozentpunkte: von Mittwoch 82,5 auf Donnerstag 84,4. Die Stadt hat gleichzeitig klargestellt, dass weitere Lockerungen derzeit nicht in Frage kommen.

Gibt es bald das dezentrale "Remote-Testing"?

Trotzdem geht die Debatte über Öffnungen im Kulturbereich weiter - stets unter Berufung auf die Pilotprojekte, in denen die Gefahrlosigkeit von Theater-, Konzert- und Museumsbesuchen nachgewiesen wurde. Münchens Kulturreferent Anton Biebl unterstützt nun eine gemeinsame Initiative der Kultur- und Tourismuswirtschaft Münchens, die ein dezentrales "Remote-Testing" vorschlägt, das erlauben soll, mit nur einem Test verschiedene Orte innerhalb des definierten Zeitfensters zu besuchen.

Tübingen setzt ein digitales System ein

Demnach sollen sich die Bürger tagsüber "im nahen Testzentrum" anmelden, testen und nach maximal einer halben Stunde das Ergebnis abrufen. Damit werde "ein Shopping-Tag mit Gastro-Erlebnis und abendlichem Kulturbesuch möglich". In Tübingen werde ein digitales System eingesetzt, welches mittels Smartphone den QR-Code auf einem Bändchen der Testperson ausliest und auf anonymer Datenbasis die Zugangsbestätigung ermöglicht, so der Vorschlag des Verbandes Münchner Kulturveranstalter, der Dehoga, der Innenstadtwirte und anderer Initiativen in einem Brief an Dieter Reiter und andere Vertreter der Stadt.

"Wir müssen weg von rein inzidenzbasierten Dauerlockdowns"

"Wir müssen weg von rein inzidenzbasierten Dauerlockdowns und kurzfristigen Schließungen und Öffnungen, hin zu einer verständlichen und verlässlichen Verfahrensweise mit Perspektiven", erklärte dazu der städtische Kulturreferent Anton Biebl in einer Mitteilung. Die massive Ausweitung von Testungen und die gleichzeitige Verstärkung von Impfungen sei ein gangbarer Weg, wie Modellversuche in anderen Städten zeigen. München solle ebenfalls Gelegenheit erhalten, einen solchen Ansatz zu erproben.

An welchen Werten soll sich orientiert werden?

An der Äußerung verwundert die Kritik an der Fixierung auf Inzidenzwerte. An welchen Werten der Kulturreferent sich künftig orientieren möchte, wollte das Kulturreferat nicht erklären. Es verwies auf die Beratung der Details in den Gremien. Wichtig sei an der Initiative vor allem, dass sie eine bisher fehlende Gesamtstrategie einfordere. Angesichts der Gesamtkosten der Pandemie käme es auf ein paar Schnelltests nicht an. Aber es fehlt nicht nur an der Gesamtstrategie. Man kann auch kaum behaupten, dass die Details wirklich feststünden. Vor dem am Montag wieder abgesagten Öffnungsschritt hatte nur das Volkstheater erklärt, es wolle vor dem Theater testen. Die anderen Häuser verwiesen auf kommende Regelungen. Und ein Verfahren, wie mit Besuchern umzugehen sei, die sich plötzlich mit einem positiven Testergebnis konfrontiert sehen, ist auch nicht bekannt geworden.

Die Osterpause kann hilfreich sein

Für die Klärung offener Fragen kann die Osterpause hilfreich sein. Für die Zeit nach den Feiertagen hat der Freistaat kontrollierte Öffnungen in acht Städten in Regionen mit Corona-Inzidenzen zwischen 100 und 150 angekündigt. Allerdings erklärte Ministerpräsident Markus Söder, er halte Großstädte für solche Modellprojekte nicht geeignet. Welche Regionen dafür ausgewählt werden, will Gesundheitsminister Klaus Holetschek Anfang nächster Woche bekanntgeben. Bislang gebe es noch keine Festlegungen, außer dass es pro Regierungsbezirk je eine Stadt sein soll, aus Oberbayern zwei.

Erneute Schließungen sind wenig überraschend

Bremen hat wegen steigender Infektionsraten ab kommender Woche wieder schärfere Corona-Regeln in Kraft gesetzt. Das sogenannte Terminshopping werde ausgesetzt, die erst vor kurzem geöffneten Museen müssten wieder schließen. Ist das überraschend? Alle ernstzunehmenden Experten haben eine dritte Welle vorhergesagt, nur wollte es leider niemand hören. Mit dem Wechsel aus Hü und Hott, aus Öffnen und Schließen, wird der Kulturbereich noch eine Weile leben müssen, weil es mindestens bis in den Sommer dauern wird, bis auch Jüngere geimpft werden können. Womöglich schmilzt auch die schützende Fettschicht des Virus - wie letztes Jahr - in der Frühlingssonne und die Inzidenz mit ihr.

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