Warmer deutscher Klang

Dirigent Daniel Barenboim mag das Furtwänglern nicht lassen. Man hört es sogar bei seinem fabelhaften West-Eastern Divan Orchestra, das endlich in München gastiert – mit Beethoven
von  Robert Braunmüller

Mit verbundenen Augen würde man auf die Münchner Philharmoniker oder die Staatskapelle Dresden tippen, dirigiert von Christian Thielemann.

Aber es sind junge Musiker aus Israel und den arabischen Ländern, die im West-Eastern Divan Orchestra so perfekt den deutschen Klang kultivieren: warm, mit einer kräftigen Bassgrundierung, rund und streicherbetont. Das alles passt bestens zu Daniel Barenboims furtwänglernder Beethoven-Auffassung. Das Tempo war frei, doch nicht romantisierend übertrieben. Barenboim lud die Wiederholungen kurzer Motive im Kopfsatz der „Pastorale” rhetorisch auf und nahm ihnen das Mechanische. Auch die „Szene am Bach” gelang an diesem Abend im Gasteig einmalig atmend und sprechend. Die seltsam wackligen Schlussakkorde des zweiten Satzes störten da nicht wirklich.

In der Siebten verdoppelte Barenboim die Bläser. Er betonte Beethovens Pathos und Grandioso. Eine perfekt gesetzte Spannungspause verband den ersten Satz mit dem zweiten. Der Klang war eher schwer, doch die furiose Steigerung der rauschhaften Emphase vom Scherzo zum Finale wirkte zwingend wie selten.

Im West-Eastern Divan Orchestra hört jeder auf seinen Nachbarn – Barenboims Idee der Verständigung in Nahost ist politisch so zwingend wie musikalisch. Es hat lange gedauert, bis dieses phänomenale Jugendorchester seinen Weg nach München gefunden hat. Aber das Warten lohnte sich. Stehende Ovationen waren selbstverständlich.

„Beethoven für alle”: Alle Symphonien mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim, 5 CDs bei Decca

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