Wannenstöpsel mit Seele
Küchenklassiker in der Pinakothek der Moderne: Die Klobürsten, Käsereiben und Korkenzieher von Alessi brachten den Humor in die Hausarbeit
Ein bisschen ist es wie mit guten alten Bekannten. Man kennt sie schon aus der Ferne. Das Aufscheinen ihrer Silhouette genügt. Aber sie sind uns ja auch vertraut: der Wasserkessel mit dem Vögelchen und der schlichte Drahtkorb für die Semmeln. Philipp Starcks heuschreckenhafte Zitronenpresse, mit der man vor allem die Küchenzeile entkalken kann, und diese schlichten Metallkännchen, aus denen der Kaffee gleich nach Urlaub schmeckt.
Alessi ist allgegenwärtig und seit 30 Jahren in einer Weise stilprägend, dass kein Design-Appassionato an den Produkten vorbei kommt. Jetzt ist Alessi in der Pinakothek der Moderne gelandet – mit einer Schau, die acht Jahrzehnte Design-, Firmen- und Familiengeschichte auffächert. Endlich, lässt der Chef der Neuen Sammlung, Florian Hufnagel, verlauten. Gut 15 Jahre Locken, Säuseln und Verhandeln waren nötig, um das Renommier-Projekt nach München zu bringen.
Übrigens samt einem Kurator, der mit dem Label verbandelt ist wie kaum ein anderer: Design-Nestor und Architekt Alessandro Mendini, Jahrgang 1931, hat die Branche Anfang der Achtziger ordentlich aufgemischt, steht für erschwingliche Küchengeräte vom Papageien-Korkenzieher bis zur Käsereibe. Ungewöhnlich ist sein umfassendes Konzept, denn es werden nicht nur die üblichen Alessi-Klassiker dekorativ in Szene gesetzt. Platz nehmen darf hier genauso der quietschbunte Plastik-Wahnsinn zwischen Klobürste und Wannenstöpsel, bei dem man nie so recht weiß, ob das nun Kunst oder doch eher Kitsch ist. Und es geht immer auch um die Philosophie hinter den Produkten.
Scheitern inbegriffen
Waren die Vorfahren von Alberto Alessi noch brave Kupferschmiede, Zinngießer, der Vater Metallwarenhändler im kleinen Bergdorf Crusinallo, hoch überm Laggo Maggiore, trat der Filius mit deutlich größeren Visionen an. Als er die Firma 1970 übernahm, trieb ihn der Wunsch, die Ästhetik des Alltags zu erneuern. Und Alberto war dabei ziemlich mutig. Einfache Haushaltsgegenstände ließ er von bekannten Designern, Künstlern, Architekten entwerfen, die in ihrem Tun völlig frei waren. Scheitern inbegriffen. Das gehört für Alessi zum ganz normalen Arbeitsprozess. „Ohne Risiko kann doch nichts Neues entstehen“, davon ist der 64-Jährige überzeugt.
Wobei ein durchgefallenes Produkt durchaus eine zweite Chance bekommen kann. „Multipli d’Arte“ von Salvatore Dalí musste Anfang der 70er Jahre aus der Fertigung genommen werden. „Ein enormes Fiasko“, sagt Alessi. Aber 2011 werde die Skulptur wieder in Produktion gehen.
Wie so vieles, das in die Zukunft weisen soll. Davon sind Prototypen in der Ausstellung – mit dem sperrigen Titel „Oggetti e Progetti“, Objekte und Projekte – zu sehen. Ein Brotkorb von den angesagten Campana-Brüdern aus Brasilien. Oder ein Service bretonischer Jung-Designer, das an die schlichten 50er Jahre erinnert.
Wenn gutes Design das Lebensgefühl seiner Zeit widerspiegelt, wie Alessi betont, dürfte Radikalität bald Vergangenheit sein. Humor und Ironie sind in der Küche vielleicht auch nicht mehr gefragt. Und wenn gute Objekte eine Seele haben, wovon Alessandro Mendini überzeugt ist, hat sich halt die Seelenlage unserer Bekannten geändert.
Christa Sigg
Pinakothek der Moderne, bis 19. September, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr
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