Walser und Heidenreich: Versöhnt durch Goethe?

Die Kritikerin zeigt Mut zum Meinungswandel. Elke Heidenreich findet Autor Martin Walser nun doch gut. Dessen „Ein liebender Mann“ sei "wunderbar" - Wie Walser darauf reagiert.
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Die Kritikerin zeigt Mut zum Meinungswandel. Elke Heidenreich findet Autor Martin Walser nun doch gut. Dessen „Ein liebender Mann“ sei "wunderbar" - Wie Walser darauf reagiert.

Der Stachel saß tief: Als „ekelhafte Altmännerliteratur“ hatte Elke Heidenreich im letzten Jahr das Spätwerk von Günter Grass und Martin Walser bezeichnet. Und auch als die AZ den 80-jährigen Walser im Februar in seinem Haus am Bodensee besuchte, war deutlich spürbar, dass dieser Vorwurf den eigentlich debattengestählten Schriftsteller noch wurmte.

„Ich bin sehr gespannt, ob die Kritiker den Tadel angesichts dieses klassischen Vorbildes aufrecht erhalten können“, sagte er, wohl wissend, einen neuen Trumpf in der Hand zu haben. Denn Walser hatte gerade ein neues, nun hoch gelobtes Werk herausgebracht: „Ein liebender Mann“, die Geschichte von Johann Wolfgang von Goethe letzter, unerwiderter Liebe.

Diesmal ein reales Vorbild

Thematisch ist das Buch nah an seinen drei letzten Romanen, die von Liebesaffären mit großem Altersunterschied handelten und deswegen von Heidenreich als „klebrig und muffig“ bezeichnet wurden. Doch diesmal ist das Vorbild real: Der 73-jährige Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe war 1823 heftig für die erst 19-jährige Ulrike von Levetzow entflammt, ließ sogar einen Heiratsantrag übermitteln und dichtete – nach dem Scheitern seines Herzenswunsches – seine berühmte „Marienbader Elegie“.

Ein „Gipfelgedicht der deutschen Sprache“, wie Walser sagt, die zutiefst bewegende Umwandlung von Verzweiflung in Poesie. Nun scheint auch Elke Heidenreich überraschend für Walser Feuer gefangen zu haben.

„Es ist wunderbar, Walser hin oder her"

In ihrer am Freitagabend ausgestrahlten ZDF-Sendung „Lesen“ lobt sie „Ein liebender Mann“ überschwänglich: „Es ist wunderbar, Walser hin oder her.“

Der Autor zeigte sich nach einem Anruf der AZ über Heidenreichs Gesinnungswandel hoch erfreut: „Ich habe immer gesagt, dass man jedem Kritiker die Gelegenheit geben sollte, sich zu entwickeln.“ Von Versöhnung mit seiner schärfsten Kritikerin wolle er nur deswegen nicht sprechen, weil Kritiker und Autoren ja „keine kriegführenden Mächte“ seien, sondern Teil eines Literaturbetriebs, der „auch von Spannungen“ lebe.

"Noch nie ein so lebendiges Buch"

„Wenn Frau Heidenreich nun meinen Roman gut findet, ist das um so schöner. Es ist mir eine reine Freude.“ Das Publikum weiß Walser nach drei öffentlichen Lesungen in Weimar, Köln und Hamburg ohnehin auf seiner Seite. „Die Resonanz ist wunderbar“, sagt der Autor. „Ich merke gerade beim öffentlichen Vorlesen, dass mir noch nie ein Buch selber so lebendig geworden ist.“

Das spürt auch der Rowohlt Verlag, der 100 000 Bücher ausgeliefert hat und bereits 60 000 Exemplare nachdrucken lässt.

Volker Isfort

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