Wahrheit im Erdäpfelschmarrn
Drehleier: Rappenglück und Stadlbauer spielen die Groteske „Erster Klasse“ von Jörg Maurer
Wenn der Dr. Ludwig Thoma drüber brütet, wie er „der bayerische Volksdichter schlechthin“ werden könnte, müssen seine Anwaltsklienten schon mal vier Stunden warten. Wie Anni Gsottmaier, die ein Nachbar wegen Millipantscherei angezeigt hat – dabei hat’s nur in die Milchkannen geregnet. Zum Zeitvertreib erzählt die Bäuerin von ihrer Zugfahrt „Erster Klasse“ nach München – und der telepathische Funke zündet beim Dichter so, dass er zum Mitspieler wird.
Ludwig Thomas Schwank lieferte dem Autor Jörg Maurer den Ausgangspunkt für ein frei fantasierendes literarisches Kabarett-Spassettl, das Marianne Rappenglück und Hans Stadlbauer in der Drehleier spielen. Dramaturgische Logik darf man von Maurer nicht erwarten, dafür aber eine Belesenheit, die er mit der resoluten Anni teilt. Sie kennt anno 1891 dank eines Erdäpfelschmarrn, aus dem sie liest wie aus Kaffeesatz, bereits die Literatur der Zukunft von Kafka bis Highsmith und bescheinigt dem verblüfften Dichter unverblümt: „Von Sprache ham’s keine Ahnung.“
"Ham'S schon mal was g'arbeit?"
In der Regie von Bruno Hetzendorfer werfen sich Rappenglück und Stadlbauer spiellustig in alle Figuren: den preußischen Düngemittel-Vertreter Stüwe, den fränkischen Ministerialrat Scheibler, den devoten Schaffner und den niederbayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser. Immer wieder bügelt Anni mit ihrer Literatur- und Lebenskenntnis den eitlen Thoma nieder. „Ich suche nach dem Wahren“, deklamiert der selbsterklärte Naturalist. Sie fragt nur: „Ham’S schon mal was g’arbeit?“
Deftigste bairische Kraftausdrücke, Offenbachs „Barcarole“, Gstanzl, „Heidi“ und Karl May – das absurde Panoptikum lebt vom Nebeneinander der Gegensätze. Am Ende passiert sogar ein Mord, den Hercule Poirot, Philip Marlowe und Miss Marple gemeinsam aufklären. Und das Komikerpaar Rappenglück und Stadlbauer macht aus der Literaturgroteske eine höchst vergnügliche Fantasiereise.
Gabriella Lorenz
Drehleier, heute, 19., 26. – 29. Mai, 20.30 Uhr, Tel.482742