Wahlkampf und Krimi-Spannung
Vom emotional hochexplosiven Kölner Kinderschänder-Tatortkrimi hinein in die dampfenden Wahl-Studios. . .
Vom emotional hochexplosiven Kölner Kinderschänder-Tatortkrimi („Verdammt“, ARD/WDR) hinein in die dampfenden Wahl-Studios: Wie erwartet träge Harmoniesucht in Niedersachsen und brodelnder Wählerwille in Hessen. Und danach die wohlbekannten sprachfrisierten Zweck-Statements der etablierten Parteien-Meinungsverkäufer und Interpretationskünstler im Wahl-Talk:
Tatort
Der Kölner Tatort-Krimi „Verdammt“ (Buch: Jürgen Werner, Regie: Maris Pfeiffer, ARD/WDR) machte die emotionalen Ausraster nach einem Kindermord zum Thema: Als der Kindermörder und Päderast Paul Keller nach 12 Jahren Haft entlassen wird, finden die Kripo-Fahnder Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) seine Leiche alsbald im Müllcontainer – nachdem eine Bürgerinitiative für Kinderschutz nach amerikanischem Vorbild Stimmung gegen Keller gemacht hatte, mit Foto und Wohnortangabe im Internet.
Die Wut von Opfern, die ebenfalls Kinder durch Sexualtäter verloren haben, ist das eine – der Rache-Sadismus von Betroffenen das andere. Diesen Zwiespalt treibt der Film auch als Keil zwischen die Kommissare: Schenk ist gerade Großvater geworden und schäumt auf in gerechtem Familien-Zorn gegen Kinderschänder. Der nüchterne (und kinderlose) Ballauf denkt nach, bevor er den Mörder des Kindermörders innerlich rechtfertigt: Ein Film über den Sog der Selbstjustiz in die Lynchjustiz, über zwanghafte Täter und zwanghafte Rächer, über unkontrollierte Gefühle (Verdacht gegen jeden, Angst vor jedem) und schnelle Fehl-Reflexe. Kommissr Ballauf und Großvater-Kommissar Schenk in einer Zwickmühle von Recht und Unrecht, Kinderschutz und Verbrechen. Ein Gebrauchs-Tatort für die Stammtische.
Anne Will
Da der Floskel-Austauch nach immer gleichen Spielregeln erfolgt (Statement plus Seitenhieb mit Koalitions-Häme), konnte man den Verlautbarungen der üblichen Verdächtigen vom Söder/Bosbach-Gewerbe bei „Anne Will“ (ARD) nichts Neues abgewinnen und wusste sich an den Geistesblitzen von Gregor Gysi (Die Linke) und Renan Demirkan (Schriftstellerin) zu ergötzen, die ein humanes Korrektiv gegen Verrohung und Brutalkapitalismus einforderten – was Bild-Publizist Tiedje wohl für ein spätes Ansinnen des Kommunismus hielt.
Man pflegte die Eifersucht der „Mitte“ gegen „links“ und „rot“ und hielt die Angst der Bürger vor dem „Linksruck“ am Köcheln. Aber Wowereit (SPD) sah in „sozialer Gerechtigkeit“ das zentrale künftige Zeitgeist-Thema. Nichts für die Zipfelmützenschläfer im Nichtwähler-Kuschelkörbchen!
Nachtschicht –
Ich habe Angst
Der ZDF-Montagskrimi „Nachtschicht – Ich habe Angst“ (Buch & Regie: Lars Becker) zelebrierte mit dem Hamburger Kriminaldauerdienst einen kunstvoll verzahnten Polizei-Thriller, in dem sich raffinierte Einzelgeschichten an bestimmten Punkten trafen: Anonyme Anrufe und Erpresserdruck setzten Mutmaßungsketten in Gang – bis sich für die KDD-Beamten (Armin Rohde, Barbara Auer, Ken Duken, Minh-Khai Phan-Thi) die Verbindungsknoten aufdröseln ließen.
So gerät eine Lehrerin (Ulrike Krumbiegel), die in ihrer Klasse Misshandlungen von Schulkindern dokumentiert und aus Angst in anonymen Anrufen auf einen wohlsituierten Schlägervater (Matthias Brandt) hinweist, in die Einschüchterungsmethoden dieses Machtmenschen, dessen Geschäfte wiederum mit Menschenhandel und Ausbeutung in einer Textilfabrik zu tun haben.
Ein Netzwerk krimineller Aktivitäten in einem gefährlichen Bedrohungs-Alltag – zeitnah und spannend.
Ponkie