Wackelnde Pfeiler und feine Verzweiflung
Kontrastprogramm pur: Die Liederabende von Tenor Ian Bostridge und Bariton Michael Volle
Zugegeben, die beiden Sänger nebeneinander zu stellen, ist schon gewagt: Ian Bostridge, den äolsharfenbewegt-ätherischen Liedexegeten von Schuberts Gnaden, und Michael Volle, einen Opernkraftstrotz par excellence. Aber wenn nun mal beide kurz hintereinander einen Lieberabend geben, vergleicht man unwillkürlich. Zumal Franz Schubert auf dem Programm stand, wenn auch mit Werken, die eh eine ganz unterschiedliche Herangehensweise fordern.
Während Volle mit dem schier endlosen „Taucher“ die Pfeiler des Herkulessaals sauber wackeln ließ und Schillers schaurige Ballade voll Emphase in den Raum schleuderte, konzentrierte sich Bostridge auf einen feinen Kreis sehr verschiedener Lieder. Auf „Das Heimweh“ oder „Die Sehnsucht“, „Normans Gesang“ und „Im Abendrot“. Natürlich konnte er im Prinzregententheater auf einer viel intimeren Ebene agieren, am Flügel traumwandlerisch sicher begleitet von Julius Drake. Schuberts nie ganz versiegende Wut hat sich Bostridge schon lange zu eigen gemacht, die Verzweiflung, das Leiden im vermeintlich hellen Dur. Und wenn er mit weit aufgerissenen Augen wie im Schmerz sich windet, wissend jeden einzelnen Ton setzt, als hätte er nie anderes gesungen, dann ist das bei aller Manieriertheit, die nur in einem einzigen Vokal liegen kann, immer wahrhaftig und von einer Aktualität, die an die Nieren geht.
Weniger subtil gibt sich Münchens Wozzeck-Wolfram-Onegin, er muss die Macht seines Organs zügeln, aufgefordert von Helmut Deutschs routinierter Klangregie. Für Richard Strauss („Vier Lieder“, „Drei Gesänge“) fehlen ein paar Farben, das Moussieren, der lässige Schwung, der nie von Kraft gesteuert sein darf. Diesem Edel-Beckmesser liegt das Drama, die große Geste – selbst in der kleinsten Form. Und mehr noch der beißende Spott, die Ironie eines Hugo Wolf („Mörike-Lieder“).
Christa Sigg