Von Schwejk bis Shakespeare

Gigant der leichten Muse: Der Wiener Schauspieler Fritz Muliar starb mit 89
von  Abendzeitung

Gigant der leichten Muse: Der Wiener Schauspieler Fritz Muliar starb mit 89

Ich bin ein Darsteller des kleinen Mannes – ein jüdischer Bankier, das ist noch drinnen, den Othello muss ich nicht spielen. Den Lear – nur in einer Musicalfassung“, sagte Fritz Muliar einmal. Fast bis zu seiner letzten Stunde stand er auf der Bühne. In der Komödie „Die Wirtin“ von Peter Turini spielte er im Wiener Theater in der Josefstadt einen alten italienischen Baron im Rollstuhl, den er nur für den meist tosenden Applaus am Ende verließ. Sein Humor hat ihn bis zu seinem letzten Auftritt nicht verlassen. Fritz Muliar, dessen Darstellung des „Braven Soldat Schwejk“ in den 1970er Jahren Millionen Fernsehzuschauer auch in Deutschland gerührt hat, starb in der Nacht zum Montag mit 89 Jahren in einem Wiener Krankenhaus – wenige Stunden nach seinem letzten Bühnenauftritt.

Muliar wurde am 12. Dezember 1919 als uneheliches Kind in Wien geboren. Seine Karriere wurde durch seinen multikulturellen Hintergrund geprägt. Sein Vater war ein k.u.k.-Offizier und später bekennender Nazi, sein Stiefvater ein russisch-jüdischer Juwelier und seine Mutter eine überzeugte Sozialdemokratin. Mit 16 Jahren begann Fritz Muliar ein Schauspielstudium am Konservatorium in Wien.

"Ich will nicht in Wien leben und am Abend in Bochum Theater spielen"

1937 entdeckte ihn die „Grande Dame“ der Wiener Kleinkunst, Stella Kadmon, in „Der liebe Augustin“ für die Bühne. Karl Farkas holte ihn ins Kabarett „Simpl“. In den folgenden Jahren entwickelte Muliar seinen unverwechselbaren Stil als Charakterdarsteller, dessen Spiel stets zwischen Komik und Tragik schwanken konnte. 1940 wurde Muliar zur Wehrmacht eingezogen. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ wurde er 1942 zunächst zum Tode verurteilt, dann aber „nur“ an die russische Front strafversetzt.

Das Kriegsende verbrachte er in englischer Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg kehrte Muliar zur Bühne zurück. Über Engagements am Wiener Raimundtheater und am Volkstheater kam er 1964 an das Theater in der Josefstadt, dem er – mit Unterbrechungen – bis zu seinem Tod die Treue hielt. Von 1974 bis 1990 gehörte er zum Burgtheater-Ensemble. Mit dessen deutschem Direktor Claus Peymann legte sich der Ur-Wiener bald an und prägte das geflügelte Wort: „Ich will nicht in Wien leben und am Abend in Bochum Theater spielen.“ Dennoch blieb er der Wiener Renommierbühne auch treu, als er aus dem festen Ensemble ausschied, und wurde 1995 trotz seiner Gegnerschaft zu Peymann zum Ehrenmitglied ernannt. Mehr als 25 Jahre lang trat er auch bei den Salzburger Festspielen auf.

Er machte aus seiner Meinung nie einen Hehl

Muliar, der auch durch Vorlese-Abende mit jiddisch-böhmelnden Anekdoten glänzte, war ein ausgesprochener „Viel-Spieler“. Er trat in über 100 Kinofilmen und Fernsehstücken auf. Seine Bandbreite war enorm. Ob als Dorfrichter Adam im „Zerbrochenen Krug“, als Alter Mann in Felix Mitterers Einpersonenstück „Sibirien“ (das er insgesamt 115 Mal in Deutschland und Österreich spielte), oder als Papst Albert in „Der Tag, an dem der Papst entführt wurde“: Immer gelang es ihm, seinen Rollen seine unverwechselbare Farbe zu geben.

Im deutschen Fernsehen machte ihn sein „Schwejk“ (1972) zum TV- Star. Er bekam eigene Serien, war in der „Fritz Muliar Show“ oder der Serie „Ringstraßenpalais“ ebenso erfolgreich wie in der Krimiserie „Kommissar Rex“ und im „Schlosshotel Orth“. 1977 bekam Muliar sogar das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Für die Rolle des Peachum in Brechts „Dreigroschenoper“ bekam er mit der Kainz-Medaille eine der wichtigsten österreichischen Theater-Auszeichnungen. Populär wurde Muliar aber vor allem mit Nestroy-Possen und Stücken von Ferdinand Raimund oder Ludwig Anzengruber.

Während seiner 72 Jahre umfassenden Karriere machte Muliar aus seiner Meinung nie einen Hehl. So engagierte er sich öffentlich für die Sozialdemokratie, kritisierte die FPÖ unter ihrem damaligen Parteichef Jörg Haider oder trat mit Solo- Abenden für Amnesty International auf.

Christian Fürst

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