Von Michael Jackson bis Sissi: Musical-Zukunft im Deutschen Theater

Viele Experten waren skeptisch, doch das Deutsche Theater hat es in der Zeltstadt in Fröttmaning mit seinen Musical-Produktionen zurück in die Erfolgsspur geschafft. Scheiterte das erste Musical auch, so ist für das nächste Halbjahr einiges geplant.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Viele Experten waren skeptisch, doch das Deutsche Theater hat es in der Zeltstadt in Fröttmaning mit seinen Musical-Produktionen zurück in die Erfolgsspur geschafft. Scheiterte das erste Musical auch, so ist für das nächste Halbjahr einiges geplant.

Eine Don-Quijote-Figur steht auf dem Schreibtisch von Werner Steer, der zusammen mit Carmen Bayer das Deutsche Theater leitet. Keine Anspielung auf die Statur des Schlaks, eher ein Symbol, denn die letzten eineinhalb Jahre waren für das Leitungsteam ein Kampf gegen Windmühlen, die Presse und die FDP.

Heute vor einem halben Jahr fiel der Premierenvorhang im Ausweichquartier in Fröttmaning, doch nach dem Fehlstart haben sich die trüben Wolken verzogen, die 1.572 Plätze waren zuletzt häufig besetzt, die Zahlen sind besser als die Planung. 110.000 Besucher kamen in den ersten sechs Monaten, im letzten halben Jahr im alten Haus an der Schwanthalerstraße waren es nur noch 52.000. Bayer und Steer sind sich sicher, nun „das beste Programm der letzten zehn Jahre“ bieten zu können.

Ein Musical-Erfolg in Hamburg ist keine Garantie für München

AZ:Frau Bayer, Herr Steer, naiv gesagt, ist Ihre Aufgabe doch einfach: Sie schauen sich Produktionen in ganz Europa an, und was gefällt und gut ist, wird für München gebucht.

CARMEN BAYER: Das wäre sehr schön, aber so ein Wunschkatalog ist unrealistisch. Zum einen werden von vielen großen Stücken überhaupt keine Tourneeversionen angeboten, manche sind auch schlicht zu teuer für unseren kurzen Aufführungszeitrahmen.

WERNER STEER: Wenn ein Stück in Hamburg hervorragend läuft, ist das noch keine Garantie für München. „Cabaret“ war in Berlin und Hannover sehr erfolgreich, bei uns eher weniger. Und wir müssen natürlich auch Stücke einkaufen, die wir noch gar nicht gesehen haben – so wie die Neuproduktion der „Rocky Horror Show“.

Die ist doch ein Selbstläufer.

Klassische Musicals wie "Rocky Horror" sind der Renner

WERNER STEER: Überhaupt nicht. Gerade die Klassiker müssen in perfekter Qualität aufgeführt werden. Ich habe die „Rocky Horror Show“ auch erst bei der Premiere in Berlin gesehen und war gar nicht zufrieden. Aber die Show ist im Laufe der Tournee immer besser geworden und war bei uns ein riesiger Erfolg mit 32000 verkauften Tickets und begeistertem Publikum.

Was wollen die Münchner Musicalfans eigentlich sehen?

WERNER STEER: Wir machen regelmäßig Umfragen und die Menschen sagen immer: neue Stücke! Bringt man aber neue Stücke ins Haus, bleibt das Publikum oft weg.

Das haben Sie auch erfahren, als Sie mit „In Nomine Patris“ die Zeltstadt eröffneten.

Die Auswahl an Musicals ist groß

CARMEN BAYER: Wir dachten, wenn wir keinen richtig tollen Start hinkriegen, dann wird das hier alles nichts. Aber es kam ganz anders. Nach dem schwierigen Auftakt haben wir uns kontinuierlich gesteigert. Ich denke, die Münchner sind ein Theater außerhalb der Stadt gar nicht gewohnt, die Stuttgarter und Hamburger schon.

WERNER STEER: Bei „Swan Lake“, drei Monate nach dem Neustart, lag die Auslastung bei fast 100 Prozent. Da wussten wir, dass wir uns die Standortfrage nicht mehr stellen müssen. Wir haben viel neues Publikum aus Augsburg, Ingolstadt, Landshut bekommen. Für viele war das der erste Besuch im Deutschen Theater.

Und was sagen die Produzenten?

CARMEN BAYER: Das ist jetzt ein Riesenunterschied. Als wir die Leitung übernahmen, konnten wir viele Produktionen nicht bekommen, weil ja niemand wusste, ob es dann das Deutsche Theater überhaupt noch geben würde. Wir haben händeringend Stücke gesucht, jetzt kann ich mich bequem aus einer großen Auswahl bedienen.

Aber die Skepsis vor dem Zelt bleibt?

Spamalot ist nett, Rebacca wahnsinnig und Tanz der Vampire ausgebucht

WERNER STEER: Das war ein reines Anfangsproblem. Ich habe mich mit Ralf Kokemüller, dem Geschäftsführer des renommierten Musicalproduzenten BB Promotion, hier auf dem Grundstück getroffen, als noch gar nichts stand. Er wollte nicht mehr mit mir reden, sondern nur noch wegfahren. Er war zu einhundert Prozent überzeugt, dass dieser Standort ein Fiasko wird. Jetzt aber arbeiten wir enger mit BB zusammen als je zuvor. Alle großen europäischen Produzenten haben sich Shows im Zelt angeschaut und sind begeistert.

Jetzt geht Ihnen nichts mehr durch die Lappen?

CARMEN BAYER: Alles, was wir noch nicht bekommen haben, ist nicht weg, das kommt vielleicht noch später. Wir hätten am liebsten mit „Tanz der Vampire“ und „We Will Rock You“ eröffnet, die waren aber gar nicht verfügbar.

Welches Musical hat Sie zuletzt beeindruckt?

WERNER STEER:„Producers“ in Wien ist toll, „Frühlingserwachen“ eine ganz neue Art des Rockmusicals. „Spamalot“ in Köln ist ganz nett, aber mehr auch nicht. Und „Marie Antoinette“ in Bremen ist ein sehr hochwertiges und komplexes Musical. „Rebecca“ in Wien ist wahnsinnig gut, müsste aber deutlich abgespeckt werden, damit man es auf Tournee schicken könnte.

Dafür bekommen die Münchner endlich ihre Sissi.

CARMEN BAYER: Elisabeth ist so ein tolles Thema, das Musical ist ein Publikumsmagnet und war immer ganz oben auf der Gäste-Wunschliste. Wir spielen „Elisabeth“ von Ende Oktober bis Anfang Dezember, also in der für uns wichtigsten Zeit. Und wir haben jetzt schon 12 000 Tickets verkauft.

Interview: Volker Isfort

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