Von Hunden und Herren
Heute wird Vicco von Bülow alias Loriot 85 Jahre alt. Die ARD gratuliert mit einer eigens montierten Collage. Und das Publikum schwelgt in des Meisters abgründig absurdem Humor.
Kein anderer hat die Niederungen des Alltags so hemmungslos für seine humoristischen Zwecke ausgebeutet wie der große Beobachter Loriot. Der heute vor 85 Jahren in Brandenburg an der Havel geborene Vicco von Bülow ist von Hause aus ein pedantischer Bildungsbürger, ein "Preuße, wie Gott ihn träumt". So adelte Joachim Kaiser den Humoristen bei der Verleihung des kulturellen Ehrenpreises der Stadt München im Februar.
Der Spross einer Familie, die über zwei Jahrhunderte Offiziere hervorbrachte, entkam seinem vorherbestimmten beruflichen Schicksal ironischerweise durch den Krieg, den er drei Jahre lang als Soldat in Russland miterlebte. Dann lag Deutschland in Trümmern, und Vicco von Bülow entschied sich, seine Zeichenbegabung an der Hamburger Kunstakademie zu verfeinern. Henri Nannen holte das junge Talent zum "Stern". Dort lernte von Bülow unter der französischen Bezeichnung für das Wappentier der Familie (den Pirol), dass man mit Cartoons von Nashörnern Geld verdienen kann und Hunde nicht den Menschen an der Leine halten dürfen.
Der schauspielerische Einstieg
Der "Stern" nahm – nach anhaltender Kritik der Kirche – das umgekehrte Hund-Herrchen-Verhältnis aus dem Magazin. Loriots Schauspielkarriere kulminierte in Kurz-Auftritten in Bernhard Wickis "Die Brücke" (1959) und Andrew Martons "Der längste Tag" (1962), später sollte er in seinen zahllosen Parodien (Grzimek, "Die Steinlaus"), vor allem aber an der Seite der kongenialen Evelyn Hamann beweisen, welche Verwandlungskraft und Slapstickkunst wirklich in ihm stecken.
Der Durchbruch
In den 70er Jahren schließlich erreichte Loriot den Zenit seiner TV-Popularität, selbst Gags wie der Song von TV-Hund Wum ("Ich wünsch’ mir ’ne kleine Miezekatze") wurden Riesenerfolge, das Lied belegte neun Wochen die Spitze der deutschen Hitparade. Erhoben in den spärlich besetzten TV-Olymp hat sich Loriot mit akademischen Badewannen- Duellen um eine Gummi-Ente, vor allem aber mit seinen großen Dramen wie dem vom Frühstücksei, der Bescherung, der Nudel, dem Anzugkauf mit Quälweib. Seine in ihrer Unzulänglichkeit gefangenen Geschöpfe sind schließlich wir alle. "Ich liebe deutsche Bürokratensprache und Wörter wie Auslegeware", sagt Loriot. Ein Grund, warum der bisweilen durchaus anarchisch-britisch anmutende Humor des hochverehrten "Bügelfalten-Preußen" (Ponkie) oder grantelnd als "Couch-Komiker" (Herbert Achternbusch) Eingestuften nie die Sprachgrenzen verließ.
Die ihm zu Ehren montierte ARD-Collage aus Gesprächen und Sketchen arbeitet neben dem Komiker, leidenschaftlichen Musikliebhaber und Opernregisseur aus laienhafter Begeisterung noch eine weitere Facette heraus: Loriot, der Interviewte. Unglaublich, mit welcher Engelsgeduld es ihm über die Jahrzehnte gelang, noch vor penetrantesten Fragestellern (Lea Rosh) die Contenance zu wahren, nicht einmal die Mundwinkel zu verziehen (wohl aber die Augenbraue!). Loriot im Interview mit Gero von Boehm ist in der Rückschau hingegen fast ein Sketch über falsch verstandene Intellektualität.
Was man vor lauter Arbeit versäumen kann
Ganz selten bricht der Mensch hinter der Maske hervor, aber einmal geschieht es mit Nachdruck. Er würde nicht noch einmal alles so machen, erklärt der altersweise Meister der Selbstdisziplin. Er habe doch vor lauter Arbeit die Entwicklung seiner beiden Töchter zu wenig begleitet. Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow mag da mit unruhigem Gewissen an das einzige Vorbild denken, das er in seinem Leben gelten ließ: seinen Vater.
Volker Isfort