Von der Macht der Gedanken
„The Lost Symbol“ führt indie Weltder Freimaurer und nachWashington
Nicht jeder Fingerzeig ist zart, nicht jede Botschaft eindeutig. Man glaube nicht alles, was man sieht, und die wirklich wichtigen Dinge sieht man nicht.
Klingt altbekannt, und doch kann Dan Brown, Hexenmeister unter den Mysterien-Schriftstellern, um solche Binsenweisheiten erfolgreiche Bücher schreiben – einmal, zweimal, nochmal: auch bei seinem jüngsten Werk wird die Rechnung vermutlich wieder aufgehen. Nach standesgemäß hochgejazzter Geheimhaltung ist seit gestern „The Lost Symbol“ auf den Weltmarkt, zunächst nur auf englisch. Die deutsche Version kommt erst am 14. Oktober. Die AZ hat schon mal schnellgelesen.
Die Geschichte beginnt – apropos Fingerzeig – mit einer abgetrennten Hand. Sie liegt in mitten der Rotunde des Kapitols von Washington und zeigt nach oben. Natürlich ein Zeichen, das der diesmalige Schurke ins nationale Monument der US-Hauptstadt geschmuggelt hat. Die Hand gehört zu Peter Solomon, und der ist Mentor von Robert Langdon, den die Brown-Gemeinde seit „Sakrileg“ lieben gelernt hat. Wieder ist Langdon, attraktiver und brillanter Professor für Symbolik, auf den folgenden 500 Seiten auf der Jagd nach einem großen Geheimnis. Das ist, wie Langdon mitteilt, „wie alle großen Geheimnisse in aller Öffentlichkeit verborgen“. In 133 Kapiteln geht es durch zwölf gespenstische Stunden. Bei der Schnitzeljagd durch Raum und Zeit wird die Millionengemeinde, die anfällig ist für wohlverstandene Esoterik und halbverstandene Wissenschaft, ihrem Helden gerne folgen.
Nicht der Louvre, nicht Paris, nicht die alte Welt ist diesmal Schauplatz des Mysterienespiels, nein, „Schlösser, Pyramiden, Geheimschriften, es ist alles hier!“, erklärt Langdon seinen Harvard-Studenten Washington. So als wollte er einem Gefühl der Amerikaner entgegenwirken, die manchmal finden, die Geschichte ihres Landes sei noch etwas kurz.
In Amerika wird dem mit ausgeprägten Selbstbewusstsein begegnet und mit einem gutem Maß Pathos, das auch den Figuren von Dan Brown nicht fremd ist: „Wenn sie nur meine Macht spüren könnten“, raunt Mal’akh, der das Böse verkörpert, das aber auch nicht immer böse gewesen sein muss.
Er ist im Wettlauf mit dem Guten um den Schlüssel zu einer Weisheit, die schon immer da war, und die wiederentdeckt werden muss, die aber letztlich nicht allen gut tut. Versteckt wurden die Schlüssel von Freimaurern, die zwar reichlich kryptisch rüberkommen, aber keineswegs als Schurken taugen. Dass George Washington einer war, dass die berühmtesten historischen Gebäude der US-Hauptstadt nach geheimen Chiffern und Zahlen konstruiert wurden – Brown behauptet es, und für die Zeit der Lektüre hat der geneigte Leser keine Lust auf einen Faktencheck. Das würde den Spaß verderben.
Man darf sich auch nicht stören an manchmal hölzernen Charakteren und belehrenden Dialogen: Es gibt halt viel zu erklären bei der Fülle der angerissenen Themen und Symbole. Es gibt Dolche und Tattoos, Menschenopfer und Wandmalereien, rauchende Kerzen und Violen mit heiligen Blut, Albrecht Dürer spielt eine Rolle und Tutenchamun.
An der Seite Langdons kämpft diesmal keine Französin wie in Sakrileg, sondern eine ebenso brillante Amerikanerin. Die Schwester des entführten Langdon-Vorbilds Solomon ist nicht irgendwer, sondern Professorin für Noetik. Das ist im realen Leben eine philosophische Unterkategorie, die sich mit Erkenntnis-Theorie beschäftigt. Bei Brown hat sie herausgefunden, dass Gedanken physische Massen bewegen können nach dem Motto: Der Wille versetzt Berge. „Das kann gefährlich sein“, erfahren wir, und natürlich erkennt das nicht nur die Wissenschaft.
Der Fund der Hand in Washington bringt die „nationale Sicherheit in Gefahr“, ein Zustand, den weder CIA noch Langdon noch Miss Solomon lange hinnehmen können.
Sie müssen den Schlüssel zu den uralten Weisheiten schneller finden als die Bösen. Bis es gelingt, gibt’s wüste Überraschungen und die Erkenntnis: „Wenn Gedanken die Welt verändern können, dann müssen wir vorsichtig sein, was wir denken.“ Und das letzte Wort heißt: Hoffnung.
Matthias Maus
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