Von der Anmut des Einfachen

Im Architekturmuseum wird das Oeuvre des britischen Architekten John Pawson gezeigt
Christa Sigg |
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Bernhard von Clairvaux hätte seine Freude an ihm gehabt. Und glaubt man ganz ketzerisch an die Reinkarnation, muss John Pawson Zisterzienser gewesen sein – im 12. Jahrhundert, als für den noch jungen, allen Üppigkeiten der Benediktiner entsagenden Orden Kirchen und Klöster von grandioser Schlichtheit entstanden. Aber der als Super-Minimalist gefeierte Architekt lebt im Hier und Jetzt, schaut irgendwie aus wie ein Bruder von Robert Redford. Er entwirft so ziemlich alles, was gut und teuer ist: Häuser, Galerien, Brücken, Yachten, sogar Kerzenhalter und Kochtöpfe. In der Pinakothek der Moderne ist dem 62-jährigen Engländer nun eine Ausstellung gewidmet.

Nicht weniger als sein Lebenswerk breitet sich hier aus in Modellen, Plänen, Fotografien. Und wenn der zurückhaltende Mann im edlen dunklen Pullover vor dem endlosen Tableau mit seinem chronologisch aufgefächerten Oeuvre steht, scheint er die Fülle selbst kaum fassen zu können und verweist dauernd auf all die anderen, die an diesem Zelebrieren der Einfachheit, der Klarheit, wie Pawson gerne sagt, beteiligt waren. Am Gestalten der einfachen Quader und Kuben, die sich in die Weiten einer Landschaft schmiegen, an all den Galerien und Gängen, die sich in eleganter Kühle ausdehnen, so als könne der Weg zu einem ungewissen Ziel gar nicht lang genug sein.

Pawson selbst hat Jahre gebraucht, um seinen eigenen, passenden Weg zu finden. Sämtliche Eliteschulen, in die der hochbegabte Sohn eines Textilfabrikanten gesteckt wurde, brach er vorzeitig ab. Lieber reiste er durch die Welt, nach Indien, Australien und dann Japan. Anfang der 70er Jahre verbrachte er einige Zeit in einem buddhistischen Kloster, wollte Mönch werden, was ihm dann doch zu viel der Askese verhieß.

Mönche sahen den Calvin-Klein-Store - und orderten ein Kloster

Die Suche nach dem Einfachen ist geblieben, im japanischen Architekten Shiro Kuramata hat Pawson schließlich seine Inspirationsquelle gefunden, da war er schon über 30. Natürlich, da gab es auch die Auseinandersetzung mit Mies van der Rohe, den Einfluss des US-Minimalisten Donald Judd, dessen gnadenlos schlichte Möbel letzten Herbst in der Pinakothek ausgestellt waren. Aber Pawson kreiert aus all dem etwas sehr Eigenes, das immer auch im Ausloten der Umgebung, der minutiösen Beobachtung der Lichtverhältnisse entsteht.

Und es kommt zu einer meditativen Ruhe, einer Stille, die sicher nicht jeder bereit ist auszuhalten. Einen gewissen Eindruck vermittelt ein eigens für die Ausstellung geschaffener Kunstraum, ein höhlenartig abgeschlossenes Oval mit einem Lichtschlitz an der Decke und eindrucksvoller Akustik. Dass die Mönche der Abtei Sept-Fons in Burgund auf ihn zugekommen sind, ist nicht wirklich überraschend. Sie waren auf der Suche nach einem Architekten, der für eine Neugründung in Böhmen ein Kloster bauen sollte, und hatten auf irgendeinem Prospekt Pawsons New Yorker Flagshipstore für Clavin Klein gesehen.

Seit 1999 ist der Brite nun dabei, das Zisterzienserkloster „Unserer Lieben Frau von Nový Dvur” in einem entlegenen Teil Böhmens zu errichten. 100 Hektar groß ist das Areal, Pawson hat also allen Raum und darf als Zisterzienser im Geiste der lichtsuchenden Seele auf die Sprünge helfen. Ganz im Sinne des Heiligen Bernhard.

Ausstellung: bis 20. Mai in der Pinakothek der Moderne, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr,

Literatur: Katalog, herausgegeben von Winfried Nerdinger (Walther König), 24 Euro " "J

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