Vom Spielkind zum Spielball

„Die Tribute von Panem” ist eine Bestsellerverfilmung mit Biss
Florian Koch |
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Blamieren oder Kassieren – nur wenige Minuten bleiben Katniss, um sich bei möglichen „Sponsoren” beliebt zu machen. Zögerlich beginnt sie das zu tun, was sie am besten kann: mit dem Bogen zu schießen. Doch selbst als ihr mit dem zweiten Schuss ein spektakulärer Treffer gelingt, sind die dekadenten Herren auf der Tribüne wenig begeistert. Doch dann wagt die erboste 16-Jährige eine Frechheit, indem sie, ganz „Wilhelm Tell”, mit einem Pfeil einen Apfel durchlöchert. Nicht nur in dieser Szene beweist Katniss, fantastisch verkörpert von Jennifer Lawrence, ihre Ausnahmestellung. Das macht sie zu einer idealen Identifikationsfigur für Jugendliche und erklärt den Erfolg der „Tribute von Panem”.

Dabei muss sich das mutige Mädchen als verarmte Jägerin in einer apokalyptischen Welt durchschlagen, die von einem kranken System geprägt ist: Nordamerika wurde nach einem verheerenden Konflikt in zwölf Zonen aufgeteilt. Im Zentrum steht aber das „Kapitol”, eine hochgezüchtete High-Tech-Neo-Rom-Großstadt, die einmal im Jahr „Hungerspiele” veranstaltet. Schon der Titel erinnert an das Sprichwort „Panem et circenses” (Brot und Spiele). Und tatsächlich, diese „Spiele” machen keinen Spaß – jedenfalls nicht für die Teilnehmer. Zwei Jugendliche pro Distrikt werden in einem abartigen Losverfahren ausgewählt, um gegeneinander nach Darwin-Manier anzutreten. Dabei sollen sie nicht nur lange am Leben bleiben, sondern sich auch noch bei den Werbekunden beliebt machen.

Es dauert, bis der Science-Fiction-Film zu den abartigen Kinder-Kämpfen kommt. Und das hat seinen Grund. Regisseur Gary Ross hat mit „Pleasantville” 1998 eine blendende Medien-Satire inszeniert, die aber stets im Schatten der „Truman Show” blieb. Auch in „Die Tribute von Panem” arbeitet sich Ross mit beißendem Witz an den perversen Formen des Reality-TVs ab. Da fletscht ein blauhaariger Schmierlappen von Moderator (Stanley Tucci) anbiedernd die Zähne, nur um seine Kandidaten vor einem gierigen, schrill gekleideten Dumpfbacken-Publikum vorzuführen, während wenig später ein glutäugiger Spielmeister das Turnier mit künstlichen Raubtieren „aufpeppt”.

So ist der Film trotz einiger Längen und so manchem Ideenklau ein packender, werkgetreuer und ungewöhnlich nachdenklicher Blockbuster geworden. Und nebenbei sickert auch noch eine andere Botschaft durch: Das schwache Geschlecht sind jetzt die Jungs.

Kino: Cadillac, Cinema (OV), CinemaxX, Mathäser, Münchner Freiheit, Museum Lichtspiele (OV), Royal
R: Gary Ross (USA, 142 Min.)

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