Vom Punk-Kabarett zum Theaterstar

Martin Wuttke spielt im neuen Stück von René Pollesch an den Kammerspielen
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Martin Wuttke spielt im neuen Stück von René Pollesch an den Kammerspielen

Zwei Mal war er Schauspieler des Jahres: Martin Wuttke ist ein gefragter Gast an allen großen deutschsprachigen Bühnen. Jetzt spielt er zum ersten Mal in München. René Pollesch, mit dem er schon oft zusammengearbeitet hat, holte ihn für die Uraufführung seines neuen Stücks „Ping Pong d’amour“ an die Kammerspiele. Samstag ist Premiere.

AZ: Herr Wuttke, René Pollesch erarbeitet seine Stücke zusammen mit den Schauspielern. Was ist für Sie das Besondere an seiner Arbeit?

MARTIN WUTTKE: Dass die Stoffe im gemeinsamen Gespräch entstehen, dass wir Themen, die uns beschäftigen, an uns heranziehen. Das ist eine andere Arbeitsweise als sonst am Theater. Eine Erfrischung, die man manchmal nötig hat.

„Ping Pong d’amour“ kommt vordergründig erstmal als Theaterparodie daher, mit Versatzstücken aus der Boulevardkomödie „Boeing Boeing“ und einem Sprachfehler aus „Pension Schöller“.

Wir benutzen die Komödienvorrichtung, um unser Thema zu bearbeiten. Im Wesentlichen geht’s darum, dass das, was uns als selbstverständlich gegeben ist, gar nicht so vom Himmel gefallen ist. Unser Umgang mit dem Körper, der Sprache, dem Theater könnte auch ein ganz anderer sein. Oder der Umgang mit dem Tod: Was passiert danach mit dem Körper, was mit der Seele? An die Seele glauben zwar heute viele nicht mehr, aber früher war das eine Paradigma unserer Gesellschaft. Wir hinterfragen diese Selbstverständlichkeiten. Zum Beispiel Natur: Ist das ein Ort oder vielleicht ein Diskurs?

Polleschs Texte sind so intellektuell und schnell, dass viele Zuschauer gar nichts verstehen.

Das kann bei jedem Stück passieren. Aber wir haben schon das Ziel, die Leute abzuholen und mitzunehmen. Ich möchte nicht vor leeren Theatern spielen.

Seit 2007 sind Sie der Leipziger „Tatort“-Kommissar. Merken Sie auf der Straße etwas von Ihrer TV-Popularität?

Ehrlich gesagt, hab’ ich dafür keinen Blick. Sicher, ich werde öfter mal angesprochen. Und die Fanpost hat sich wahnsinnig gehäuft.

Wieviel von Martin Wuttke steckt in Kommissar Keppler?

Zunächst ist es der Körper des Schauspielers. Natürlich fließen eigene Erfahrungen ein. Kepplers latente Asozialität ist mir bekannt: Wenn man so viel unterwegs ist wie ich, sitzt man nach der Arbeit in einer fremden Stadt allein rum. Dadurch wird man ein bisschen seltsam. So ähnlich stelle ich mir Kepplers Fremdheit in Leipzig vor. Und er hat eine Form von Freundlichkeit, die nicht unbedingt an der Oberfläche zu finden ist.

Sie waren 1996 einige Monate Intendant der Berliner Ensembles. Würden Sie nochmal ein Theater leiten?

Ich würde es nur tun, wenn ich mir sicher sein könnte, dass da Leute sind, mit denen ich gut zusammenarbeiten kann. Die Erfahrung am BE war sehr hart und radikal. Ich konnte damals die Situation und Struktur gar nicht überschauen.

Gerade haben Sie in Berlin mit Quentin Tarantino gedreht: In „Inglourious Basterds“, der 2009 ins Kino kommen soll, spielen Sie Hitler. Angeblich war Tarantino von Ihrem Bühnen-Hitler in „Arturo Ui“ so beeindruckt, dass er Sie holte.

Das weiß ich nicht. Aber es war außerordentlich vergnüglich mit ihm.

Wäre ein Ruf aus Hollywood für Sie interessant?

Es kommt immer drauf an, was es ist. Ich hänge halt sehr am Theater. Aber mit Tarantino würde ich jederzeit wieder arbeiten.

Den „Arturo Ui“ haben Sie seit 1995 über 300 Mal gespielt. Hängt er Ihnen nicht schon zum Hals raus?

Manchmal. Aber wir haben viele Gastspiele, da ist das Publikum jedes Mal ein anderes. Das macht dann wieder Spaß. Allerdings wird das Spielen mühseliger. Damals, mit 33, habe ich das aus physischem Übermut heraus gemacht. Der ist jetzt mit 47 eher gedämpft. Und mein Interesse an der Hitler-Figur ist mehr als ausgereizt.

Eine Freundin aus dem Ruhrpott sagte mir, ich solle Sie mal nach Lisa und den Quietschboys fragen.

Danach hat mich noch nie jemand gefragt! Lisa und die Quietschboys war ’ne Art Punk-Kabarett mit Musik. Da war ich 17, 18 und wir sind zwei bis drei Jahre durchs Ruhrgebiet getingelt, mit wachsendem Erfolg. Wir waren vier Jungs und Lisa, eine Kunststudentin aus Düsseldorf. Durch sie bin ich zum Theater gekommen: Sie hat mich verführt, die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule zu machen.

Gabriella Lorenz

Kammerspiele, Samstag 20 Uhr, Tel.23396600

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