Vom Hopsassa zum Mauerfall
Was für ein Fernsehsamstag: Die Spaßnation hatte die Wahl zwischen gutbürgerlichem Kindergeburtstag „Wetten, dass...?“ und dem Sado-Superstar-Casting samt quälendem Dschungelcamp. Dann entscheidet im Zweifel die Dummsack-Quote.
An so einem Hoppsassa-Samstag, an dem die Spaß-Nation die Wahl hat zwischen Gottschalks gutbürgerlichem öffentlich-rechtlichen Kindergeburtstag „Wetten, dass...?“ und den speziellen Lüsternheiten von Bohlens Sado-Superstar-Casting samt lustigem Leute-Quälen im Dschungelcamp mit den Schlangen und Krabbelsabbertieren von RTL – an so einem TV-Samstag entscheidet im Zweifelsfall die Dummsack-Quote über den Kultur-Pegel.
Wetten, dass...?
Nett saßen sie da alle aufgereiht auf dem Salzburger Live-Sofa zur Marketing-Arbeit an ihren neuesten Werken, mit Lobesworten von Gottschalk betätschelt (von Adorf und Ben Becker bis Udo Jürgens und Gérard Depardieu in Obelix-Fülle), mit Fußballern durchgebeizt, geschmückt mit Christiane Hörbiger als Herz-Dame auf der Herrenbank und mit Sylvester Stallone als Hollywood-Gast mit Edel-Rambo-Image. Als Jungturner-Favorit durfte Stefan Raab, an Schlagfertigkeit dem Entertainer-Bruder Gottschalk durchaus gewachsen, das ARD-Publikum mit Turmspringer-Geplauder aufmischen, und Wettkönig wurde ein überaus fotogener Hubschrauberpilot.
Brav und ordentlich, jugendfrei sowieso – wer hat da nicht heimlich zu den Psycho-Freaks in die Ekelbude RTL gezappt? Die Spannungs-Nummer des TV-Sonntags war zwar die Hessen-Wahl – doch dazu kam ein Sonntags-Tatort von Format.
Das Wunder von Berlin
Tatort-zeitgleich ein Ost-West-Symbol-Familiendrama von der deutschen Spaltungs-Geschichte bis zum Mauerfall: „Das Wunder von Berlin“ (Buch: Thomas Kirchner, Regie: Roland Suso Richter, ZDF) ist natürlich kein „Wunder“, sondern eine lange, schmerzhafte Zeit-Entwicklung, verzögert durch die starre, uneinsichtig blinde Machtpolitik einer Altmänner-Diktatur. Da der Film jedoch den West-Blickwinkel nicht ablegen kann, dürfte sich die Ossi-Sicht, auf die eigenen Biographien bestehend, gegen diese „Selbstgerechtigkeit“ wehren.
Der Stasi-Vater (Heino Ferch), für seinen Punk-Sohn Marco (Kostja Ullmann) ein sturer, reaktionärer Rechthaber, die Geliebte (Gesine Cukrowski) eine loyale Zuträgerin, der Großvater (authentisch: Michael Gwisdek) ein alter Nazi mit zynischen Déjà-vu-Erlebnissen, die Mutter (Veronica Ferres als Gutmenschen- Tussi) bereits beim Neuen Forum der Wende, Marcos Freundin Anja (Karoline Herfurth) die klassische Rebellin.
Und flugs wandelt sich der Punk und NVA-Opportunist Marco durch Idealisten-Vorbild (André Hennicke) zum DDR-Idealisten. Damit auch jedes Klischee seinen Deckel bekommt. Die Darsteller sind aber so überzeugend, dass das Geschichtsbild so durchgeht – obwohl es ein paar Generationen ganz anders kaputtgemacht hat.
Ponkie