Volkszorn mit später Reue

Zeitlos packend: „Die Bernauerin” bei den Orff-Festspielen in Andechs
Adrian Prechtel |
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Die Premieren zu Fuße der Wirtschaft und des Klosters im Andechser Florian-Stadl haben immer höhere Weihe: Mönche im Publikum und – wie oft bei Carl Orff – auch auf der Bühne. Die kommen da nicht gut weg: In der „Bernauerin” predigt ein Kirchenmann volksverhetzenden Hass – gegen die Hure, Hexe, die unstandesgemäße Baderstochter aus Augsburg, die dem Herzogsohn den Kopf verdreht und so politische Wirren ausgelöst hat.

Regisseur Marcus Everding entschärft die unrühmliche Rolle der Kirche in dieser Staatsaffäre des 15. Jahrhunderts: der Hassprediger in Straubing ist bei ihm nur ein als Bußprediger verkleideter Hofschranze aus München, der das Volk aufwiegelt. Orff, der das Stück 1946 beendete, hatte noch den NS-Fanatismus im Ohr. Und wer die Geschichte wieder hört, dem fällt unter anderem auch der rassistische Vorwurf im Volk auf, dass der Herzogsohn keine Einheimische ehelichen will. Das Schauspiel mit Chor und Orchester ist wie ein Brecht’sches Lehrstück in historisiertem bairischen Dialekt – mit typisierten Figuren, die mit Ausrufezeichen sprechen – als Mitläufer, Neider oder auch unkorrumpierbare, widerständige Herzensmenschen: alle herolds-stark besetzte Bürgerstimmen.

Wenn am Ende – begleitet von einer Späte-Reue-Volks-Chorstimme – die ertränkte Bernauerin (Katharina Kram, die auch gretchenhaft schön singen kann) eine Himmelfahrt als Neben-Patrona Bavariae erlebt, dann steht der junge Herzog Albrecht (stimm- und spielgewaltig: Florian Fisch) wie eine Votivfigur vor dem Bühnenbilderbogen (Bühne: Thomas Pekny).

Der ist wunderbar karg: Eine große Bretterkiste mit Klappdeckeln ist nacheinander Badezuber, Lotterbett, Hexenhöhle und Grablege. Alles so nah, weil kein Orchestergraben das Publikum trennt. Wie unter einem Bayreuther Deckel tönt die Orff-Akademie des Münchner Rundfunkorchesters umfassend voll aus dem Bühnenraum.

So ist die Geschichte der „Bernauerin” als kraftvolles Stück mit zeitlosen menschlichen Wahrheiten packend erlebbar.

Do-So, 26.-29. Juli, 19 Uhr, Florian-Stadl Andechs, www.carl-orff-festspiele.de; Tel. 2274 88

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