Volker Weiß über "Die autoritäre Revolte"

Volker Weiß beschäftigt sich in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ mit der Ideologie der Neuen Rechten in Deutschland und ganz Europa
Robert Braunmüller |
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Der Publizist und Historiker Volker Weiß ist ein Experte für die Neue Rechte.
Christian Charisius Der Publizist und Historiker Volker Weiß ist ein Experte für die Neue Rechte.

Ursprünglich wollten die Patriotischen Europäer in Dresden gegen die Amerikanisierung des Abendlandes demonstrieren. Die Enscheidung sei aber dann auf den Begriff „Islamisierung“ gefallen, weil das der Begriff sei, mit dem das Volk leichter zu mobilisieren sei. Man müsse erst den konkreten Gegner Islam schlagen, bevor es den subtiler wirkenden Einflüssen Amerikas an den Kragen gehe.

Der Historiker und Journalist Volker Weiß erzählt diese Vorgeschichte von Pegida in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ über die Neue Rechte. Die Anekdote unterstreicht eine seiner zentralen Thesen: Deren Gegnerschaft zum Islam ist weniger scharf, als es den Anschein hat. Den Männlichkeitskult und den Kampfgeist dieser Religion findet ein anständiger Neuer Rechter ganz in Ordnung, so lange ihre Anhänger im Orient bleiben.

Gegen die globale Moderne

Das musste auch einmal der auch in München nicht ganz unbekannte Michael Stürzenberger erleben, als er 2001 bei einer Versammlung forderte, die hier lebenden Muslime hätten dem Koran abzuschwören. „Ich habe kein Bedürfnis, Menschen anderer Kultur von irgendetwas zu befreien“, meinte daraufhin Karlheinz Weißmann, der Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik im thüringischen Schnellroda. Er halte es nicht für erstrebenswert, dass die Muslime sich der von ihm als „tief dekadent“ empfundenen liberalen Gesellschaft annähern würden.

Die globale Moderne mit allen ihren Konsequenzen – und nicht der Islam – ist der Hauptgegner der Neuen Rechten. Weiß macht ihre Traditionslinie gleich auf der ersten Seite des Buchs sinnlich: „Europa? Ein Begriff, bei dem uns nicht warm wird“, heißt es da in einem Zitat. Europa stehe „für eine Aktiengesellschaft, eine wirtschaftliche Konstruktion, eine mechanische, motorartig von außen her betriebsfähig gehaltene Einheit“.

Das europakritische Zitat wirkt frisch, stammt aber tatsächlich von 1926 und aus der katholisch-konservativen Zeitschrift „Abendland“. Das Abendland gegen Europa, Kultur gegen die Zivilisation der globalen Moderne, die Nation gegen den Staat der Bürger, Identität statt Liberalismus, Wärme statt Ökonomie.

Das waren schon damals nicht ganz frische Begriffsgegensätze, die aber noch heute das Denken der Neuen Rechten bestimmen. Weiß belegt schlagend, dass außer dem Personal an diesen Rechten nicht viel neu ist. Ihr Urvater ist der Schweizer Armin Mohler, der in seiner Dissertation „Die konservative Revolution“ schon 1949 den Versuch unternahm, rechtes Denken durch Rückgriff auf Autoren der 1920er Jahre vom Nationalsozialismus zu säubern und unter Ausblendung des Antisemitismus neu zu begründen.

Zurück zum Ständestaat

Mohler versuchte mit mäßigem Erfolg auf Franz Josef Strauß Einfluss zu nehmen. Die „Konservative Revolution“ wurde zuletzt 2006 von seinem Schüler Karlheinz Weißmann neu bearbeitet. Der Lehrer aus Niedersachsen gründete im Jahr 2000 mit Götz Kubitschek das private Institut für Staatspolitik, dessen wissenschaftlicher Leiter er bis April 2014 war, ehe sich die beiden Herren zerstritten.

Der eher im Hintergrund agierende Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza wurden als Redner bei den Dresdner Pegida-Demos und durch Homestorys großer Zeitungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Kubitschek gehört mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins „Compact“ zu den zentralen Figuren der Neuen Rechten, denen die NPD zu dumpf war und die nun in der AfD ihre politische Heimat gefunden haben. Hier versucht die Neue Rechte zu platzieren, was seit Jahrzehnten in kleinen Zirkeln ausformuliert wurde.

Die Neuen Rechten möchten die Geschichte zurückdrehen: Ihr Ziel sind gesellschaftliche Zustände, wie sie vor 1968 in Deutschland verbreitet waren. Das heißt: Lob der Kernfamilie, Aufwertung des Mannes, Vorstellung von Autorität und Seniorität, ein positives, bis hin ins Mythische reichende Verhältnis zur Nation und zur Nationalgeschichte. Das alles läuft auf ein autoritäres Präsidialsystem zu, das dann in sich ständestaatlich gegliedert ist.

Die Schimpansenhorde

Die Verbindungen und Sympathien der Neuen Rechten zu Putins Russland wirken daher konsequent. Aber es geht auch eine Spur primitiver: Weiß verbeisst sich in das Buch „Der Weg der Männer“ des Amerikaners Jack Donovan, das Kubitscheks Verlag auf deutsch herausgebracht hat. Es vertritt ein „Zurück zur Natur“ der Schimpansenhorde mit Kampf und Faustrecht. „Wer einem Autor wie Donovan huldigt, hat selbst kein anderes Menschenbild als die Täter“, meint Weiß mit Blick auf die Vorgänge in der Kölner Silvesternacht.

Da geht der sonst eher distanziert schreibende Autor aus sich heraus. Weiß hält sich die Rechten sonst durch den inflationären Gebrauch von Anführungszeichen und des Wortes „selbsternannt“ vom Leib – das wirkt leicht übertrieben.

Am Ende steht ein Appell: Die Stärke der Rechten ist eine Schwäche der Linken und des Liberalismus. Vorwürfe der Political Correctness seien zum Teil nicht von der Hand zu weisen. Wer die Rechte bekämpfen wolle, dürfe den fundamentalistischen Islam und dessen Unterdrückung der Frau nicht beschweigen. Die Feindschaft zum humanistischen Universalismus sei mittlerweile zum Dreh- und Angelpunkt einer globalen „Konservativen Revolution“ geworden, die Rechte und Islamisten vereine.

Die Aufklärung müsse diesen Kampf aufnehmen. „Gewaltige Anstrengungen werden dafür nötig sein, denn es ist kein Naturgesetz, dass die Seite der Emanzipation gewinnt.“

Volker Weiß: „Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ (Klett-Cotta, 304 S., 20 Euro)

 

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