Vier betörende Überraschungen
Die Geigerin Janine Jansen und die Academy of St. Martin in the Fields im Prinzregententheater
Dieser Abend war reich an schönen Überraschungen. Die erfreulichste ereignete sich gleich zu Beginn: Der Star erschien und setzte sich, als sei dies ganz selbstverständlich, ans erste Pult des Kammerorchesters. Janine Jansen feuerte das Ensemble an, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil viele Geiger behaupten, so etwas würde nicht gehen.
Diese Aufwertung bekam „Such Different Paths“ von Dobrika Tabakova. Das minimalistisch angehauchte Stück der 1980 geborenen Bulgarin riss mit, tat niemandem weh und eignete sich perfekt für den Rahmen dieses Konzerts. Überraschung Nr.2: Die seit dem Durchbruch der Originalklang-Ensembles etwas ins Hintertreffen geratene Academy of St. Martin in the Fields spielt gut wie eh und je.
In den Ecksätzen von Mozarts Violinkonzert KV 216 packte Janine Jansen wacker zu und betörte im Adagio mit Süße. Sie hörte auf ihre Mitstreiter und inszenierte ganz wundervoll die Schlusspointe, wenn die Geige nicht mehr auf die Hornrufe antwortet und das Rondo überraschend zu Ende geht. Da man sich an nichts leichter gewöhnt als an Perfektion, war diese außerordentliche Leistung fast schon keine Überraschung mehr.
Tschaikowsky-Perfektion
Aber die dritte ereignete sich nach der Pause mit dem Adagio für Violine und Orchester KV 373: Ein nur selten aufgeführtes, aber wundervolles Stück – selbst bei Mozart gibt es immer noch etwas zu entdecken. Aber noch eine Steigerung war drin: Mit Janine Jansen am ersten Pult glückte jenes viel gespielte Stück, das Peter Tschaikowsky mit einiger Untertreibung „Serenade für Streicher“ genannt hat. Die Geigerin und ihre Mitstreiter unterstrichen ohne Anflug von Routine den symphonischen Anspruch. Sie überraschten mit samtiger Fülle und einer vitalen Klarheit, die den meisten Tschaikowsky-Aufführungen abgeht.
Als Zugabe spielte Janine Jansen das „Souvenir d’un lieu cher“ des Russen. Das heißt: Erinnerung an einen geliebten Platz. Hoffen wir, dass die Geigerin das Prinzregententheater so ins Herz geschlossen hat, dass sie bald zurückkehrt.
Robert Braunmüller