Viel Schwefel, kein Feuer
Thesen statt Theater: Die Uraufführung der „Tragödie des Teufels“ von Peter Eötvös und Albert Ostermaier in der Staatsoper
Keine Angst vor neuer Musik! Peter Eötvös holt eine unglaubliche Fülle aus dem kleinen Ensemble im Graben heraus. Auf dem filigranen Klang von fünf Streichern, Klavier, Harfe und Schlagzeug antwortet wie eine elektronische Verfremdung flächig das große Orchester auf der Bühne. Bei Gottes Telefonanruf wird die Nokia-Melodie zitiert, in der Wüste zischt das Schlagzeug wie Klapperschlangen, um zugleich das dort lungernden Lumpengesindel zu charakterisieren.
Wirkungsvoll wie keiner seiner Kollegen schreibt Eötvös für traditionelle Opernstimmen. Dass die Bösen in großen Intervallen singen und Gute weit gespannte Kantilenen, streift das Klischee. Die Verbeugung vor der Tradition erleichtert aber auch unvorbereiteten Hörern den Zugang. Es macht Spass, wenn ein Betrunkender verteufelt ähnlich wie der Handwerksbursche aus Alban Bergs „Wozzeck“ lästert. Diese handfeste Sinnlichkeit hebt sich wohltuend von nur ausgerechnet-getüftelter Avantgarde ab.
Sängerglück und Librettistenpech
Wie es sich für eine Oper gehört, wird prächtig gesungen: Georg Nigl formt den Luzifer mit hell timbrierter, wendiger Baritonkraft und aasigen Charme zu einer Figur, die im Gedächtnis haften bleibt. Sein fast allein vom Klavier begleitetes Couplet beeindruckt durch Sparsamkeit. Die fabelhafte Eva Hesse von den Steinen orgelt mit opulentem Mezzo die dämonische Lucy. Topi Lehtipuu und Cora Burggraaf erfreuen als Adam und Eve mit Lyrismen. Auch die vielen Chargen sind alle exzellent besetzt.
Allein die Handlung bereitet Bauchschmerzen. Albert Ostermaiers Wortspiele sehr frei nach der 1861 entstandenen „Tragödie des Menschen“ des Ungarn Imre Madách sind geistreich, die sarkastische Pointe gelungen: Der Teufel fährt zur Hölle, weil Adam ihn an Bosheit übertrifft, das Böse aber durch die ewige Liebe seiner ersten, vor Eva geschaffenen Gefährtin Lilith zu Schanden wird. Doch die Geschichte zappt hopplahopp von einem Exempel menschlicher Unfreiheit zum nächsten. Keine Situation wird richtig ausgespielt, dafür viel behauptet und wenig gezeigt. Das nennt man Thesentheater.
Wer über Bühnenbuntheit so etwas wie eine Handlung erwartet, wird rasch aussteigen. Adam und Eva bleiben herzlich unsympathisch. Vom Teufel abgesehen, lädt niemand zur Identifikation ein. Das wäre aber, um an Schönbergs „Moses und Aron“, Nonos Musiktheater, Messiaens Franziskus-Oper oder Eötvös „Drei Schwestern“ zu erinnern, auch bei zeitgenössischer Musik eine Erfolgsgarantie. Die Handlung ganz wegzulassen wie in Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“, dazu fehlte den mitteilungswütigen Schöpfern jedoch der Mut. Es ist ein weiterer Mangel, dass mit Teilung des Orchesters kein dramaturgische Idee verbunden ist, außer die Wortverständlichkeit zu fördern.
Die Inszenierung ist weniger hilfreich
Das eitel als „Installation“ titulierte Bühnenbild des Ehepaars Kabakov sorgt für opernüblichen Bombast. Für das Verständnis einer Geschichte, die zwischen unterschiedlichsten Schauplätzen und Jahrtausenden hin und herspringt, ist die von der Stummfilmästhetik inspirierte Monumentaltreppe wenig hilfreich. Die Kostüme von Amélie Haas, vor allem die spacige Lucy, gemahnen an den Gärtnerplatz.
Ärgerlich wird der Abend, wenn Ostermeiers Text jenseits seiner anspielungsreichen Bildungsbürgerlichkeit mit einer Folterszene frei nach Abu Ghraib und den Pillen aus dem Film „Matrix“ nach Aktualität schielt. Da wird schmerzlich fühlbar, was neuem Musiktheater heute fast immer abgeht: die Zeitgenossenschaft. Sie ist von der Oper und dem Theater längst ins Kino abgewandert. Leider.
Robert Braunmüller
Wieder am 25. 28. 2, 6. und 9. 3. Karten Tel. 21 85 19 20
Der Video-Trailer der Bayerischen Staatsoper zu "Die Tragödie des Teufels"
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