Viel Hoffnung im Pech
Mariss Jansons ist krank, sein neuer Vertrag noch nicht unterschrieben. Trotz schlechter Nachrichten blickt das BR-Symphonieorchester mit Namen wie Simon Rattle optimistisch in die kommende Saison
Mariss Jansons fehlte. Er hätte es wegen der Vulkanasche wohl sowieso nicht geschafft. Der Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters muss sich einer Operation unterziehen und wird für mindestens zwei Monate ausfallen. Für seine Konzerte im Juni und dem Auftritt bei „Klassik am Odeonsplatz“ gibt sich der Orchestermanager Stephan Gehmacher aber hoffnungsvoll.
Eigentlich wollte der Bayerische Rundfunk am 3. Mai die Wiederaufnahme von Bizets „Carmen“ unter Jansons aus der Wiener Staatsoper übertragen. Ob es dabei bleibt, ist ungewiss. Andris Nelsons, der Jansons-Schüler und kommende Bayreuther „Lohengrin“-Dirigent, springt ein. Elina Garanca singt die Titelpartie, die an einem fiebrig entzündeten Kehlkopf leidende Anna Netrebko hat ihre Micaela noch nicht abgesagt. Rolando Villazón wurde als Don José schon vor einiger Zeit durch Massimo Giordano ersetzt.
Mahler, Beethoven, ein Geiger in Residence und Tschaikowsky
Hoffentlich hat das Symphonieorchester in der kommenden Saison weniger Pech. Die Papierform ist perfekt: Jansons teilt sich einen auf zwei Spielzeiten angelegten Mahler-Zyklus mit Riccardo Chailly, Daniele Gatti und Bernard Haitink. András Schiff, Murray Perahia und Paul Lewis teilen sich mit den Damen Mitsuko Uchida und Maria João Pires die Klavierkonzerte Beethovens. Der Geiger Frank Peter Zimmermann spielt als Artist in Residence selbstgewählte Violinkonzerte. Mariss Jansons huldigt seiner heimlichen Liebe zu Oper mit einem konzertanten „Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowsky.
Riccardo Muti, Franz Welser-Möst und Herbert Blomstedt setzen ihre regelmäßigen Gastspiele fort. Die Dirigenten Konstantinos Caridis, Yannick Nézet-Séguin und der gastierend mit dem Royal Scottish Orchestra in der Philharmonie erfreulich aufgefallene Stéphane Denève stehen für die jüngere Generation.
Gewitterwolken am Horizont
Jansons Vertrag läuft vorerst bis 2012. Die Musiker, das Management und der für die Klangkörper verantwortliche Hörfunkdirektor Johannes Grotzky rechnen mit einer Verlängerung, aber unterschrieben ist noch nichts. Zum Konzertsaal, der Herzensangelegenheit des Chefdirigenten, gibt es nichts Neues zu vermelden: Die vom Kabinett in Auftrag gegebenen Gutachten sind fertig, im Mai oder Juni ist dann die Politik am Zug. Hoffnung schaut anders aus.
Auch medienpolitisch braut sich einiges zusammen. 2012 werden die Rundfunkgebühren neu geordnet: „Wir können froh sein, wenn wir die bisherige Summe noch bekommen“, sagt Grotzky. Er ärgert sich über Spar-Appelle in der ARD, wenn gleichzeitig fast 80 Millionen für Box-Rechte verschleudert werden, die bei besseren Verhandlungen auch billiger zu bekommen wären. Grotzky will, wenn gespart werden muss, den kulturellen Bereich des Senders jedenfalls nicht überproportional beschneiden. Ob er aber nach 2012 noch amtieren wird, steht in den Sternen.
Einen Coup hat das Orchestermanagement noch gelandet: Simon Rattle, der selten gastierende Chef der Berliner Philharmoniker, dirigiert Schumanns „Das Paradies und die Peri“. Es ist zwar nicht sehr lange her, dass Nikolaus Harnoncourt beim BR zeigte, was in diesem vergessenen Oratorium steckt. Aber: „Wenn man um Leute wie Rattle buhlt, muss man auch Wünsche erfüllen“, erklärt Orchestermanager Gehmacher. Wenn alle hübsch auf ihre Gesundheit achten, kann’s sehr schön werden.
Robert Braunmüller